EU attackiert Deutschland Blauer Brief aus Brüssel

BRÜSSEL · Es war einmal eine deutsche Bundesregierung, die sich für ihre Klimapolitik feiern ließ. In Europa hatte sie 2007 den Vorsitz, und so setzte man "ehrgeizige Klimaschutz-Ziele" (Bundeskanzlerin Angela Merkel) durch.

 Energieeinsparung: Ein Handwerker montiert eine Styroporplatte zur Wärmedämmung an die Fassade eines Mehrfamilienhauses.

Energieeinsparung: Ein Handwerker montiert eine Styroporplatte zur Wärmedämmung an die Fassade eines Mehrfamilienhauses.

Foto: dpa

20 Prozent geringere CO2-Emissionen, 20 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen und 20 Prozent effizientere Nutzung der Energie gegenüber dem Status von 2008. Bis 2020 wollte man diese Vorgaben schaffen. Doch schon auf halber Strecke ging der selben Regierungschefin die Luft aus. Und so landete vor einigen Wochen ein blauer Brief aus Brüssel auf dem Schreibtisch der Regierung. Wörtlich hieß es da: "Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Kommission der Ansicht, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat."

Das bittere Märchen ist seit einigen Wochen Realität. Zusammen mit 23 anderen Mitgliedstaaten hat EU-Umweltkommissar Janez Potocnik bereits im Juli die Koalition abgemahnt, weil sie ausgerechnet die Richtlinie zur ergiebigeren Nutzung der Energie vom Dezember 2012 nicht rechtzeitig umgesetzt hat. Deren Kernstück ist der Artikel 7, der die EU-Länder verpflichtet, den Absatz der Energie beim Endkunden jedes Jahr um 1,5 Prozent zu senken. Außerdem sollten pro Jahr drei Prozent des öffentlichen Gebäudebestandes klimaschonend renoviert werden. Wie das genau geschehen soll, bleibt den Regierungen überlassen.

Aber lediglich in Italien, Zypern, Malta und Schweden nahm man die Vorschrift ernst. Diese vier Staaten haben pünktlich zum Ende der gesetzten Frist für die Umsetzung am 5. Juni 2014 nationale Regelungen erlassen. Der Rest ersparte sich die Übernahme des gemeinsam gefassten Beschlusses. Zwar kündigte das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen an, man werde bis zum 22. September Vorschläge einreichen.

Da aber bislang noch nicht einmal ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch liegt, erwartet EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der das Dossier betreut, keinen wirklich großen Wurf. Und schon gar keinen nationalen Aktionsplan, der auch nur annähernd die EU-Vorschriften erfüllt. Das förmliche Vertragsverletzungsverfahren, welches die Kommission inzwischen eröffnet hat, kostet zwar noch kein Geld. Aber Kommissar Potocnik machte in seinem Schreiben schon mal klar, dass "finanzielle Sanktionen verhängt werden könnten". Bei hartnäckigem Ungehorsam werde er Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

Einer der Gründe für die Berliner Zurückhaltung ist eine jahrelange Auseinandersetzung innerhalb der früheren Koalition. Während das Bundesumweltministerium die Richtlinie vorantreiben wollte, bekämpfte der damalige liberale Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler die EU-Richtlinie, als handele es sich um sozialistisches Teufelswerk. Sein Nachfolger, SPD-Chef Sigmar Gabriel, zeigte sich zwar offener und bekräftigte noch Ende Juli, dass "Energieeffizienz eine der kostengünstigsten Optionen zur Treibhausgasminderung" sei. Aber außer ein paar Studien kam von ihm auch nichts. Dahinter dürften, so vermuten Beobachter, die Energieversorger stehen, die Zusatzlasten befürchten.

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