Wachstum in Europa Billiges Öl und schwacher Euro ermöglichen schnellere Erholung

BRÜSSEL · So gute Nachrichten hatte der Brüsseler Finanzkommissar schon lange nicht mehr zu verkünden. "Die europäische Wirtschaft erlebt das erfolgreichste Frühjahr seit mehreren Jahren", erklärte Pierre Moscovici, als er am Dienstag die lange erwartete Frühjahrsprognose der EU-Behörde vorstellte.

 Container türmen sich im Duisburger Hafen: Mit der Konjunktur geht es in Europa fast überall deutlich aufwärts.

Container türmen sich im Duisburger Hafen: Mit der Konjunktur geht es in Europa fast überall deutlich aufwärts.

Foto: dpa

Fast alle Werte wurden nach oben korrigiert: Um gut 1,8 Prozent werden demnach die 28 EU-Mitgliedstaaten wachsen, der Euro-Raum um 1,5 Prozent - ein Plus von 0,2 und 0,1 Prozent gegenüber der letzten Schätzung vom Winter.

"Nahezu alle Faktoren begünstigen die Konjunktur", betonte der Franzose: Der Ölpreis sei gegenüber Mitte letzten Jahres um fast die Hälfte gesunken, der Euro habe gegenüber dem Dollar seit Jahresanfang fast vier Prozent nachgegeben, das umstrittene Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Aufkauf von Staatsanleihen wirke.

Und außerdem zeigten sich "die ersten Erfolge der Länder, die Reformen umgesetzt haben". Auch Deutschland gehe es "sehr" gut: Ein Plus von 1,9 Prozent in diesem und 2,0 Prozent im nächsten Jahr sei drin. Andere legen noch stärker zu: Irland (3,6), das Sorgenkind Spanien (2,8), Malta (3,6) und Polen (3,3) - wenn Griechenland nicht wäre, würde die Union sich auf einem "soliden Kurs nach oben befinden".

Tatsächlich belegen die Zahlen den fast schon dramatischen Fall des Landes. Noch vor fünf Monaten hatte man Athen ein Plus in Höhe von 2,5 Prozent zugetraut. Nun sei gerade mal ein halbes Prozent drin - und alles hängt davon ab, ob es in diesen Tagen endlich zu dem erhofften Durchbruch bei den Verhandlungen mit den Geldgebern kommt. Am Dienstag war Finanzminister Gianis Varoufakis wieder einmal auf Tour. Zunächst in Paris, anschließend in Brüssel warb er um Verständnis und ein Einlenken der Euro-Gruppe.

Das Feuer angeheizt hatten Berichte, der Europa-Chef und Verhandlungsleiter des Internationalen Währungsfonds (IWF), Poul Thomson, habe von den Euro-Gläubigern mehr oder minder deutlich einen Schuldenschnitt verlangt. In Brüssel wurde dies als Provokation empfunden, schließlich gilt ein Verzicht auf die Rückzahlung der gewährten Hilfsgelder als Tabu. Später schob Thomson zwar nach, er habe lediglich "Optionen" aufzeigen wollen.

Dennoch kam die gefährliche Drohung an: Sollte Athen sich in den Verhandlungen um eine Reformliste nicht schnell (intern hieß es, die Verhandlungen sollten heute abgeschlossen werden) bewegen, könne der IWF sich gezwungen sehen, seinen Anteil an den noch ausstehenden 7,2 Milliarden für die Hellenen zurückzuziehen. Für Griechenland käme das einer Katastrophe gleich, denn der IWF zahlt die Hälfte der noch ausstehenden Gelder.

Dort ist man deutlich pessimistischer als die Europäische Kommission und spricht nicht mal mehr von einem minimalen Wachstum (0,5 Prozent), sondern von einem Minus in Höhe von 1,5 Prozent. Damit wären alle Vorgaben der Geldgeber unerreichbar.

Dabei zeigte sich Athen in den letzten Tagen durchaus gesprächsbereit: Über eine moderate Mehrwertsteuer-Erhöhung will man inzwischen reden. Reiche sollen mit höheren Abgaben belegt werden. Doch die Mehreinnahmen würden nicht ausreichen, wenn sich Ministerpräsident Alexis Tsipras weiter weigert, den Arbeitsmarkt zu reformieren.

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