Gegen jede Regel? Was Anleger von Börsenweisheiten lernen können

Mannheim · Messer sind meist scharf. Wer in eine Klinge greift, wird sich daher vermutlich schneiden. Ein Anleger-Sprichwort sagt deshalb: Greife nie in ein fallendes Messer. Doch welche Aussagekraft hat eine solche Regel für die Börse?

 Im Laufe der Zeit haben Händler an den Börsen viele Regeln aufgestellt. Nicht alle dieser Weisheiten sind in der Praxis für Kleinanleger geeignet. Foto: Frank Rumpenhorst

Im Laufe der Zeit haben Händler an den Börsen viele Regeln aufgestellt. Nicht alle dieser Weisheiten sind in der Praxis für Kleinanleger geeignet. Foto: Frank Rumpenhorst

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Weisheiten gibt es viele. Manche handeln vom Umgang miteinander, zum Beispiel der Spruch: "Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus." Andere Regeln beschreiben mit bestechender Einfachheit das Wetter: "Nach Regen kommt Sonnenschein" etwa. Wiederum andere Regeln beschäftigen sich mit dem Thema Geld. "Es gibt viele Börsenweisheiten", sagt der Finanzwissenschaftler Prof. Martin Weber von der Universität Mannheim. Doch wie viel Wahrheit steckt in solchen Sprüchen? Ein Überblick:

Lege nie alle Eier in einen Korb: Diese Regel zählt zu den bekanntesten. Die Idee: Nicht nur in eine Anlageform investieren, sondern das Geld verteilen. Experten sind sich einig, dass diese Regel stimmt. "Das ist auch wissenschaftlich nachgewiesen", sagt Weber. "Streuung minimiert das Risiko." Aus einem einfachen Grund: Wer sein Geld über mehrere Anlageklassen verteilt, muss nicht um sein gesamtes Vermögen fürchten, wenn eine Anlage ins Minus rutscht.

Deshalb sollte nach Ansicht von Portfoliomanager Lothar Koch von GSAM + Spee Asset Management in Langballig (Schleswig-Holstein) eine einzelne Position des Depots nie mehr als 15 Prozent ausmachen. "Ansonsten ist das Gesamtdepot zu sehr von dem Ergebnis dieser Einzelposition abhängig."

The trend is your friend: Auch diese Regel wird oft bemüht. Die Idee: Wer einem Trend oder anders gesagt einer positiven Entwicklung eines Wertpapiers folgt, gewinnt. Steigt der Kurs, bleibt der Anleger dabei, fällt der Kurs, verkauft er die Aktie. "Das hört sich gut an", sagt Prof. Weber. Aus Sicht des Wissenschaftlers funktioniert das aber für Kleinanleger eher nicht: "Dahinter steckt ja die Idee, dass Kursentwicklungen vorhergesehen werden können."

Allerdings gibt es auch Gegenstimmen: "Aktien, die in der Vergangenheit eine bessere Wertentwicklung relativ zu anderen Aktien aufwiesen, tendieren nachweislich dazu, diese bessere Entwicklung auch zukünftig zu zeigen", ist der Vermögensverwalter Thomas Freiberger aus München überzeugt.

Greife nie in ein fallendes Messer: Diese Regel beschreibt das Gegenteil der Trend-Regel. Denn wenn die Kurse fallen, so die Annahme, sollten Anleger lieber die Finger davon lassen. Schließlich kann niemand wissen, wie weit die Kurse noch fallen.

"Ein Abwärtstrend wird schnell zur Verkaufspanik und somit zu einer Kurslawine", sagt Christian Fischl. "Ein Paradebeispiel dafür war der Zusammenbruch des Neuen Marktes", erklärt der Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Huber, Reuss & Kollegen aus München. Damals fielen manche Kurse aus großen Höhen sehr tief.

Kaufe, wenn die Kanonen donnern: Bricht ein Krieg aus, ist das eine schlechte Nachricht. Die Folge: Kurse an den Aktienmärkten geben nach. Anleger, die in dieser Zeit investieren, können daher profitieren, wenn der Konflikt beendet ist, weil die Kurse der soliden Unternehmen dann wieder steigen. "Das hat sich leider in bedauerlicher Weise als richtig erwiesen", erläutert Uwe Zimmer. "Die besten Kaufkurse gibt es leider bei Krieg oder Katastrophen", sagt der Vorstand der Merido Vermögensverwaltung in Köln. "Die Herde verhält sich immer gleich, egal was der Auslöser ist."

Dennoch sollten Anleger sich von dieser Regel nicht zu sehr beeinflussen lassen, betont Thomas Freiberger. Fehlerhafte Preise könnten entstehen - jedoch in keinem vorhersehbaren Muster, aus dem dauerhaft ein Vorteil entstehen würde. Die Entscheidung für oder gegen eine Aktie sollte daher nicht von den Nachrichten abhängig gemacht werden, sondern von der individuellen Lebensplanung.

Hin und her macht Taschen leer: Unruhiges Handeln tut Privatanlegern selten gut. Denn wer Wertpapiere häufig verkauft und wieder kauft hat vor allem eines: hohe Kosten. "Wer hektisch viel kauft und wieder verkauft, macht viele Fehler und die Kassen der Banken voll", sagt Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen in Altötting. Denn die Geldinstitute kassieren bei jeder Transaktion Gebühren.

Allerdings gibt Prof. Weber zu bedenken: Eine ruhige Hand könne zwar helfen, die Kosten gering zu halten, Anleger sollten ihr Depot aber immer im Auge behalten. Entwickelt sich ein Papier oder eine Anlageklasse grundsätzlich über einen längeren Zeitraum schlecht, kann es durchaus sinnvoll sein, sich davon zu trennen.

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