Finanzielle Leistungen Wenn im Pflegeheim das Geld knapp wird

BERLIN · Der Tag der alten Dame beginnt pünktlich um 6.30 Uhr: Ihr Bett wird aufgeschüttelt, das Frühstückstablett rangeschoben. Noch kann sie sich allein ein Marmeladenbrot schmieren, zur Toilette gehen, sich die Zähne putzen. Dass sich das ändern wird, ist absehbar. Doch mehr Unterstützung und damit mehr finanzielle Leistungen sind für die Seniorin bisher noch nicht vorgesehen.

 Pflegestufe Null: Eine demenzkranke Frau in einem Pflegeheim in Frankfurt an der Oder.

Pflegestufe Null: Eine demenzkranke Frau in einem Pflegeheim in Frankfurt an der Oder.

Foto: dpa

Werden ältere Angehörige zum Pflegefall, muss sich die Familie nicht nur mit viel Bürokratie auseinandersetzen. Die Betreuung - ob zu Hause oder im Alten- und Pflegeheim - verschlingt viel Geld. Eines der größten Armutsrisiken ist die Pflegebedürftigkeit. Wie viel Unterstützung die Betroffenen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, hängt vom Grad der Hilfsbedürftigkeit, aber auch dem Betreuungsort ab. Der Gesetzgeber bezieht die Leistungen auf drei Pflegestufen.

Die erste Stufe liegt dann vor, wenn die Pflegebedürftigen täglich mindestens 90 Minuten lang Hilfe benötigen. Dazu zählt Unterstützung beim Essen, bei der Körperpflege oder um von einem Ort zum anderen zu kommen. In der Pflegestufe II wird der Bedarf auf drei Stunden pro Tag ausgeweitet. Die Voraussetzungen, um Leistungen dazu zu beziehen, sind dann erfüllt, wenn beispielsweise bei der Unterbringung zu Hause mehrfach in der Woche Hilfe im Haushalt gebraucht wird.

Als schwerstpflegebedürftig gelten die Menschen, die pro Tag im Schnitt fünf Stunden auf Hilfe angewiesen sind. Zudem muss der konkrete Bedarf rund um die Uhr, also auch nachts, bestehen. Sie erhalten dann die Pflegestufe III. Seit 2013 gibt es zudem Leistungen für die Menschen, die dement oder geistig behindert sind, aber noch nicht über die Pflegeversicherung unterstützt wurden. Hier sprechen Experten von der Pflegestufe Null.

Im Kern gilt: Je höher die Pflegestufe, desto höher die Kosten und desto höher ist der Betrag aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Wer seine Angehörigen mit einer Pflegestufe III zu Hause versorgt, erhält rund 728 Euro pro Monat. Für die Betreuung im Heim sind bei derselben Einstufung rund 1600 Euro vorgesehen. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die Pflegekosten zwischen 3000 Euro und 4000 Euro pro Monat liegen.

Die Größe dieser Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben hängt auch von der Qualität der Pflegeeinrichtungen ab. Viele Häuser mit einem höheren Standard sind teurer als zum Beispiel kommunale Einrichtungen. Die fehlende Summe dafür kann durch den Abschluss einer privaten Pflegeversicherung gedeckt werden. Angenommen, die Alterseinkünfte durch Rente oder Mieteinnahmen belaufen sich bei einer Betroffenen auf 1500 Euro. Dann kann sie - lässt man ein Taschengeld außer Acht - zusammen mit der gesetzlichen Pflegeversicherung 3100 Euro ausgeben. Kostet der Heimplatz 4000 Euro, müssen 900 Euro plus Taschengeld privat abgesichert werden, wenn niemand aus der Familie dafür geradesteht.

Dies leisten Pflegetagegeldversicherungen. Je nach Pflegestufe zahlen die Versicherungen im Ernstfall einen bestimmten Betrag. Für eine gute Absicherung muss ein 55-Jähriger in der Regel monatlich zwischen 70 Euro und 90 Euro aufbringen.

Doch die Policen sind nach Einschätzung der Stiftung Warentest vor allem etwas für gut verdienende Kunden. Denn sie sollten sich auch sicher sein, dass sie diese Beiträge auch über ihr Arbeitsleben hinaus aufbringen können. Schließlich werden die meisten Menschen erst lange nach dem Eintritt in den Ruhestand pflegebedürftig. Und wenigstens bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Policen auch bedient werden.

Die private Pflegeversicherung ist in der Regel zudem eine reine Risikoversicherung. Tritt der Notfall gar nicht ein, sind die gesamten eingezahlten Beiträge verloren. Auch wenn die regelmäßige Zahlung nicht durchgehalten werden kann, ist es ein Verlustgeschäft. Dann gibt es weder Geld zurück noch später einmal Leistungen.

Was geschieht, wenn die Lücke zwischen Heimkosten und Einkünften weder aus eigenem Vermögen, noch durch eine private Pflegeversicherung geschlossen werden kann? Dann werden die Angehörigen zur Kasse gebeten. Wie hoch deren Finanzspritze ausfällt, hängt von deren jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab. Reicht der Betrag weiterhin nicht aus, gibt es Hilfen zur Pflege vom Staat.

Die Beratungsstellen der Arbeiterwohlfahrt, der Caritas oder Diakonie oder anderen Sozialverbänden helfen zu sortieren, welche Anträge notwendig sind, um Geld zu bekommen. Auch sogenannte Pflegestützpunkte beraten über die Leistungen.

Die Varianten der privaten Pflegeversicherung haben Vor- und Nachteile

Der Staat hat die Versorgungslücke bei der Pflege erkannt. Vor gut zwei Jahren wurde dafür die geförderte private Pflegeversicherung eingeführt, kurz Pflege-Bahr benannt nach dem damaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr. Das Prinzip ist einfach: Die öffentliche Hand schießt monatlich fünf Euro zum Beitrag dazu und der Versicherte muss wenigstens zehn Euro einzahlen. Es gibt bei den Policen keine Gesundheitsprüfung, jedoch eine fünfjährige Wartezeit. Fast eine halbe Million Menschen hat sich dafür entschieden. Nachteil: Die Höchstgrenzen beim Pflegetagegeld sind bei den meisten Tarifen nicht hoch genug, um die Versorgungslücke zu schließen. Außerdem müssen die Beiträge weiterbezahlt werden, wenn der Kunde zum Pflegefall wird. Ein Teil des Tagegeldes wandert so direkt zum Versicherer zurück.

Es gibt aber auch die Kombination zwischen nicht geförderten und geförderten Pflegeversicherungen. Dabei schließen Kunden zwei Verträge ab. Die Kombitarife schneiden im Vergleich der Stiftung Warentest besser ab als der Pflege-Bahr. Die Ergebnisse hat die Stiftung in einem Themenpaket zusammengestellt

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