Spritverbrauch Wenn das Sparauto ein Spritschlucker ist

MÜNCHEN/BONN · Wer mit seinem Auto in den Urlaub fährt, kann es bei Stopps an Tankstellen leicht nachrechnen. Der Wagen verbraucht oft weit mehr, als vom Hersteller angegeben. Das hat jetzt der ADAC bei Tests nachgewiesen, nachdem schon die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jüngst erhebliche Mehrverbräuche kritisiert hatte.

 Sportliche Geländewagen liegen in der Käufergunst vorne. Mit Hybridantrieben soll der Durst verringert werden, doch in der Praxis verbrauchen sie oft deutlich mehr als angegeben.

Sportliche Geländewagen liegen in der Käufergunst vorne. Mit Hybridantrieben soll der Durst verringert werden, doch in der Praxis verbrauchen sie oft deutlich mehr als angegeben.

Foto: DPA

Der ADAC kommt bei Benzinern und gasbetriebenen Wagen im Schnitt auf einen um ein Zehntel höheren Verbrauch, bei Diesel-Pkw sind es 14 Prozent und bei Hybrid-Fahrzeugen mit Verbrennungs- und Elektromotor gar 25 Prozent. Wer bei seinem Neuwagen solche Abweichungen vor Gericht belegen kann, hat gute Chancen vom Kauf zurücktreten zu können oder wenigstens auf Schadenersatz, sagen Juristen.

"Ohne Gutachten geht es nicht", betont Klaus Heimgärtner von der juristischen Zentrale des ADAC. Nachweise auf Basis von Tankquittungen würden Gerichte kaum anerkennen. Die kritische Schwelle für eine erfolgreiche Klage sei ein nachgewiesener Mehrverbrauch von zehn Prozent. Ab diesem Wert greift ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs. Weil allein das nötige Gutachten mehrere tausend Euro kostet und auch die Prozesskosten nicht zu vernachlässigen sind, empfehlen ADAC und DUH eine solche Klage nur mit Rechtsschutzpolice.

Regionale Autohäuser in Bonn und Köln verzeichnen nur sehr wenige Beschwerden der Kunden. Weniger als fünf im Jahr, heißt es bei einem der Händler auf Anfrage des General-Anzeigers. Zwei Autohäuser geben an, den Kunden auch in diese Richtung zu beraten, beziehungsweise die Abweichungen beim Spritverbrauch gezielt anzusprechen. Einer erklärt, er mache mit den Kunden, bei denen der Verbrauch stark von den Vorgaben abweiche, gemeinsam Vergleichsfahrten, um technische Fehler auszuschließen und das Fahrverhalten des Kunden zu testen. Meist seien die Ergebnisse dann jedoch im Toleranzbereich.

Warum aber gibt es diese deutlichen Mehrverbräuche bei Pkws überhaupt?

ADAC und DUH weisen unisono auf die Fahrzeughersteller und kritisieren eine fragwürdige Praxis. Den Verbrauchswert eines Neuwagens ermitteln die Hersteller selbst und zwar auf Basis des NEFZ (neuer europäischer Fahrzyklus) aus den 90er Jahren. Das ist ein reiner Labortest, der Fahrten bis 120 Stundenkilometer nicht gerade realitätsnah simuliert und zudem Spielraum für allerlei Tricksereien lässt.

Prall aufgepumpte Spezialreifen zur Minimierung der Rollreibung, abgeklebte Schlitze und abmontierte Außenspiegel zur Verminderung des Luftwiderstands, vor allem aber moderne Bordcomputer sorgen auf einem Rollenprüfstand für Verbrauchswerte, die auf der Straße unmöglich zu erreichen sind. Die computergestützte Motorsteuerung erkennt, wenn ein Auto im NEFZ-Zyklus getestet wird und schaltet in einen Sparmodus, erklärt ADAC-Technikexperte Axel Knöfel. Bis zu zehn Prozent weniger Sprit verbrauche ein entsprechend präpariertes Auto auf dem Prüfstand.

Ab 2017 wird die legale Täuschung aber erschwert. Dann werden Neuwagen im WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure) getestet. Das ist zwar immer noch ein reiner Labortest, aber die Testparameter sind realitätsnäher. "Das führt je nach Modell zu drei bis 15 Prozent höheren Verbrauchsangaben", sagt Knöfel. ADAC und Tüv hätten mehrere Autos nach WLTP getestet und seien dabei auf diese Spanne gekommen. Vor allem bei vermeintlichen Sparautos müssten die Verbräuche dabei offiziell nach oben korrigiert werden.

"Es wird weiter getrickst", unkt dagegen DUH-Chef Jürgen Resch. Denn nachgeprüft würden Verbrauchsangaben von Herstellern weder bei NEFZ noch WLTP, Zuständig wäre das Kraftfahrtbundesamt (KBA). Die DUH fordert seit Jahren vergeblich Stichproben durch das KBA, weil die Diskrepanz zwischen Realität und Herstellerangaben immer größer werde. 2001 betrug der Mehrverbrauch der zehn europaweit am häufigsten zugelassenen Neuwagen im Schnitt acht Prozent, haben Experten der Forschungsorganisation ICCT ermittelt. 2014 sei die Kluft auf 38 Prozent gestiegen (siehe Grafik). In den USA, wo regelmäßig der Verbrauch von knapp einem Fünftel aller Neuwagen amtlich nachkontrolliert wird, liegen die Abweichungen nur bei zwei Prozent.

Dort wagen Autohersteller nicht, so dreist zu täuschen, weil sonst drakonische Schadenersatzzahlungen und Strafen drohen, sagt die DUH. Wenn ein Auto mehr verbraucht, als vom Hersteller angegeben, kann das aber auch am Fahrer liegen, stellt Knöfel klar. Auch das hat der ADAC untersucht. Im ADAC-eigenen Verbrauchstest sei ein VW-Modell auf 5,8 Liter pro 100 Kilometer gekommen, bei einer Herstellerangabe von 5,2 Litern. Bei spritschluckender Fahrweise sei der Verbrauch dann auf 10,9 Liter hochgeschnellt.

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