"Mensch statt Marge": Siemens-Beschäftigte protestieren

München · Aus Angst vor dem Abbau tausender Arbeitsplätze haben Siemens-Mitarbeiter an Standorten in ganz Deutschland gegen überzogenes Gewinnstreben im Konzern protestiert. Unter dem Motto "Ohne Menschen keine Marge" warnte die IG Metall bei dem Aktionstag am Donnerstag vor überhöhtem Renditedruck auf Kosten der Beschäftigten.

 Bundesweit wird an allen Siemens-Standorten gegen das angekündigte Sparprogramm des Unternehmens protestiert. Foto: Marc Tirl

Bundesweit wird an allen Siemens-Standorten gegen das angekündigte Sparprogramm des Unternehmens protestiert. Foto: Marc Tirl

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"Dieser Aktionstag ist eine laute und klare Botschaft an alle in- und außerhalb des Konzerns, die kurzfristige Renditeziele über die langfristigen Interessen von Siemens und der Siemensianer stellen. Nicht mit uns", sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner, der bei der größten Kundgebung in Bocholt vor rund 2000 Siemens-Beschäftigten sprach. In Frankfurt demonstrierten mehrere hundert Siemens-Mitarbeiter aus Hessen und Rheinland-Pfalz vor der Börse. Auch in München, Berlin, Erlangen und anderen Städten gab es Aktionen. Insgesamt waren rund 130 000 Beschäftigte an den deutschen Siemens-Standorten dazu aufgerufen.

Siemens-Chef Peter Löscher hatte im November ein Sparprogramm angekündigt, mit dem er die Kosten bis 2014 um sechs Milliarden Euro senken will. "Das schafft er nur mit einem Stellenstreichkonzert. Aber da spielen die Beschäftigten nicht mit", hieß es in einem Flugblatt, das die IG Metall an die Beschäftigten verteilte. Siemens hat sich bislang nicht dazu geäußert, wie viele Stellen wegfallen könnten. Nach früheren Berechnungen der IG Metall könnten es rund 5100 Arbeitsplätze sein. Weitere 1400 Stellen in Deutschland sollten ausgelagert oder durch Verkauf an andere Firmen übertragen werden.

"Das versteht doch kein Mensch mehr: Gewinne in Milliardenhöhe und Verunsicherung bei den Menschen", sagte Kerner in Bocholt. Die vergangenen beiden Jahre seien für Siemens die erfolgreichsten der Konzerngeschichte gewesen. "Wer das kaputtredet und Siemens fast schon als Sanierungsfall darstellt, verzerrt die Realität und schadet dem Unternehmen." Der Aktionstag richte sich aber nicht gegen Löscher oder gegen Siemens. Es gehe vielmehr um die langfristige Perspektive für Siemens und die Beschäftigten.

Von dem Stellenabbau könnte auch der Siemens-Standort Erlangen Stark betroffen sein. Dort protestierten nach Angaben der Gewerkschaft mehrere hundert Mitarbeiter. "So was ist hier noch nie passiert - ein absolutes Novum für das Südgelände", sagte Wolfgang Niclas von der IG Metall. Nach Informationen der örtlichen Gewerkschaft will Siemens allein dort rund 1000 Arbeitsplätze abbauen. Auf der Streichliste stünden darüber hinaus weitere 1400 auf mehrere Siemens-Standorte verteilte, projektbezogene Stellen.

Siemens äußerte sich nicht zu diesen Zahlen. "Es ist normal, dass Betriebsrat und Gewerkschaft eigene Positionen vertreten und sich in die Diskussion um die strategische Ausrichtung von Siemens einschalten", sagte ein Sprecher.

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