Big Data Handydaten für perfekten Bus- und Bahntakt

BONN/HANNOVER · Digitalisierung. Kaum ein Wort schlägt so hohe Wellen wie dieses. Kaum eine Branche, die sich nicht mit Apps, Online-Shops, mobilen Websites oder Social Media-Auftritten beschäftigt.

Mobile Daten für besseren Nahverkehr? In Nürnberg proben die Verkehrsgesellschaft und die Telekom genau das. Streckenführung und Linientakt sollen so effektiver werden.

Mobile Daten für besseren Nahverkehr? In Nürnberg proben die Verkehrsgesellschaft und die Telekom genau das. Streckenführung und Linientakt sollen so effektiver werden.

Foto: Telekom

Ein großes, umstrittenes Thema lautet: "Big Data", die Erhebung und Auswertung von großen digitalen Datenmengen, beispielsweise aus dem Mobilfunknetz.

Für Aussteller auf der Computermesse Cebit in Hannover ist das längst ein attraktives Geschäftsfeld. Internet-Giganten wie Facebook oder Google sammeln mit Vorliebe alles, was ihnen die Nutzer bewusst oder unbewusst anvertrauen. Jetzt macht auch die Deutsche Telekom ein Projekt auf Grundlage eigener Kundendaten öffentlich.

In Nürnberg werden die Verkehrsströme anhand von Smartphone-Daten erfasst, anonymisiert und analysiert. "Die Erkenntnisse aus diesen Erhebungen sind für uns wichtig für die Planung und Kontrolle unserer Angebote", erklärt Elisabeth Seitzinger, Sprecherin der Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG).

Was bislang durch Lichtschranken, Kameraaufzeichnungen und manuelle Zählungen erhoben wird, soll so künftig automatisch passieren: "Im Ergebnis wird die Frage beantwortet, ab wo fährt welche Linie wie oft wohin und wie werden diese Angebote genutzt", erklärt Seitzinger. Künftig sollen so Taktungen und Streckenführungen angepasst werden.

Das Projekt verfolgt also das Ziel, mehr auf die Kunden und ihre Bedürfnisse einzugehen. Die müssen dafür ihre Daten übermitteln. Mit der neuen Technologie ermittelt die Telekom die Bewegungsmuster, zusätzlich werden Geschlecht, Altersgruppe und Postleitzahl erfasst. Die Daten werden in Hochsicherheitszentren gesammelt, anonymisiert, auf die Gesamtbevölkerung im erfassten Gebiet hochgerechnet und anschließend übermittelt.

Datenschutzbedenken liegen dabei nahe, die beteiligten Parteien beschwichtigen: "Das Verfahren wurde eingehend geprüft und als datenschutzkonform und rechtlich einwandfrei bewertet", teilt die Telekom mit. "Entscheidend für uns ist, dass die Daten anonymisiert sind, dass alle Datenschutzbestimmungen penibel eingehalten werden. Wichtig ist hier Transparenz, dann ist es für die Fahrgäste auch in Ordnung", meint die VAG-Sprecherin.

Die Datenschutzbeauftragte des Bundes, Andrea Voßhoff, bestätigt, dass im konkreten Fall die deutschen Rechte eingehalten werden, hat aber grundsätzliche Bedenken: "Der Einsatz von Big-Data-Technologien ist global, deshalb sind die Möglichkeiten der nationalen Gesetzgeber begrenzt. Es bedarf internationaler Regeln zum Schutz der Privatsphäre."

Auf Facebook, Google und Co. haben die deutschen Gesetze keine Auswirkungen. Und gerade diese Unternehmen verzichten auf etwas, mit dem sich die Telekom beim aktuellen Projekt rühmt: die Selbstbestimmung des Kunden. Denen bleibt die Wahl, an der Erhebung teilzunehmen. "Wir haben uns für eine Kultur des Einverständnisses ausgesprochen", erklärt Telekom-Vorstand Reinhard Clemens. Somit können Kunden sich einer Verwendung ihrer Daten über einen eingerichteten Ausschaltknopf oder per Deaktivierung über eine Telefon-Hotline entziehen.

Noch läuft das Ganze als Pilotprojekt. Die Hoffnungen der Verkehrsbetriebe sind groß: "Wir versprechen uns Vorteile, da das neue Verfahren günstiger, schneller verfügbar, häufiger einsetzbar und räumlich flexibler ist", erklärt Seitzinger. Andere Verkehrsunternehmen schauen deshalb genau hin, was da Nürnberg passiert - auch die Stadtwerke Bonn.

"Das Thema wird deutschlandweit verfolgt. Den Nutzen dieser neuen Technologie will ich aber heute noch nicht bewerten", sagt SWB-Vertriebsleiterin Anja Wenmakers. Selbst habe man sich gegen eine Teilnahme am Pilotprojekt entschieden: "Wir haben aktuell, auch mit der Telekom, andere Projekte und Prioritäten, beispielsweise die Bereitstellung von WLAN im Flughafenbus", sagt Wenmakers.

Ausschließen, dass auch in der Bundesstadt künftig manuelle Zählungen durch Handydaten ergänzt oder sogar ersetzt werden, will sie aber nicht. "Wenn die VAG zu der Erkenntnis kommt, dass diese Daten gesichert und aussagekräftig nutzbar sind, dann wäre das für jedes Unternehmen interessant."

Das versteht man unter "Big Data"

In den kommenden zwei Jahren wird sich die Zahl der mit dem Internet verbundenen Geräte von zwei auf dann zehn Billionen verfünffachen - so prognostiziert es die Deutsche Telekom. Schon heute lassen sich immer mehr Geräte mit dem World Wide Web verbinden, egal ob Auto, Herd oder schon, fast ein Klassiker, das Handy. Dadurch entstehen immer größere Datenmengen, die für Unternehmen zum Produktionsfaktor werden. Bis 2017 sollen es 1,3 Zettabyte sein. Ein Zettabyte sind eine Milliarde Terabyte. Diese erfassten Mengen wollen Unternehmen wie die Telekom künftig für Unternehmen nicht nur sichern, sondern auch auswerten.

Big-Data-Erfassungen und Analysen ermöglichen es, die Prozesse effizienter zu gestalten oder Produkte und Dienstleistungen noch genauer an den erfassten Kundenbedürfnissen auszurichten. Die Europäische Union plant, das Datenschutzrecht zu vereinheitlichen. Damit soll der Umgang und Gebrauch mit Daten durch Unternehmen EU-weit geregelt werden.

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