TTIP Große Mehrheit gegen Handelsabkommen

BRÜSSEL/STRASSBURG · Das Ergebnis kommt einem Volksaufstand gegen die Brüsseler EU-Kommission gleich: Bei einer Internet-Konsultation über das europäisch-US-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP forderten 97 Prozent der Teilnehmer ein Aus für die umstrittenen Schiedsgerichte, mit denen ausländische Investoren gegen Staaten unter Ausschluss der Öffentlichkeit klagen können. Die Ablehnung gegen das gesamte Projekt fiel nur unwesentlich geringer aus.

Selbst die für Handelsfragen zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström, die die Ergebnisse gestern in Straßburg vorstellte, räumte ein, dass "es äußerste Skepsis" gebe. 149 399 Beiträge hat die EU-Behörde im Verlaufe der vergangenen Wochen via Internet von 450 Nichtregierungsorganisationen, 3000 Privatleuten und Unternehmen erhalten. Eine Konsultation ist keine repräsentative Studie, beteiligen kann sich, wer will. 32 313 Deutsche taten dies, mehr Stimmen gab es nur aus Großbritannien und Österreich.

Das Fazit aber dürfte für die Pläne der Kommission niederschmetternd sein: 145 000 Beiträge lehnten die sogenannten "Investor-State Dispute Settlement"-Regelungen (ISDS) strikt ab. "Wir müssen jetzt mit den Regierungen und der Zivilgesellschaft eine offene, ehrliche Diskussion führen", sagte Malmström weiter, "bevor wir irgendwelche politischen Empfehlungen abgeben."

Doch der Rückhalt schwindet auch in Brüssel. Der Sozialdemokrat Bernd Lange, EU-Abgeordneter und Vorsitzender des Handelsausschusses des Straßburger Parlamentes, forderte die Kommission bereits auf, das "Ergebnis nicht einfach unter den Teppich zu kehren". Der Ausgang der Konsultation zeige deutlich: "Wir brauchen keine ISDS-Regeln zwischen der EU und den USA."

Dagegen sprach sich der handelspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Daniel Caspary (CDU), dafür aus, "die Investitionsschutzklauseln, die ein bewährtes Instrument in Handelsabkommen sind, zu verbessern". Schließlich sollten "ausländische Investoren nicht benachteiligt, aber auch nicht bevorzugt werden".

Karl Bär, Sprecher der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative "Stoppt TTIP" kommentierte das Ergebnis mit den Worten: "Diese Schiedsverfahren sind eine Gefahr für die Demokratie und in Europa nicht erwünscht."

Doch das wird nicht leicht werden, denn schon heute gehören solche nicht-öffentlichen Schlichtungsverfahren, die investierende Unternehmen gegen Saaten anstrengen können, in 1400 Fällen zu den internationalen Handelsabkommen. Vor allem Deutschland hat in seinen bilateralen Wirtschaftsabkommen derartige Klauseln zum Schutz der eigenen Unternehmen beispielsweise vor Enteignung durchgesetzt. In Brüssel hatte man bereits versucht, einen neuen Weg einzuschlagen. So wurden im Ceta-Handelsabkommen mit Kanada der Vorrang der nationalen Rechtssysteme festgeschrieben und nur öffentliche Streitschlichtungsverfahren zugelassen. Nun ist erst einmal unklar, wie die Kommission die in dieser Frage unterbrochenen Verhandlungen mit Washington wieder in Gang bringen will.

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