Lokführer-Streik Fernbusse und Mitfahrzentralen profitieren

BONN · So überraschend der Lokführer-Streik viele Zugreisende das eine ums andere Mal trifft, so vorbereitet gibt sich die Deutsche Bahn. Seit Wochen arbeitet ein Team an Notfahrplänen, um möglichst viele Reisende trotz des Ausstands ans Ziel zu bringen.

Dabei arbeiten vor allem Mitarbeiter aus Duisburg und Frankfurt am Main Hand in Hand. Von der Betriebszentrale Duisburg aus wird der Regionalverkehr gesteuert, aus Frankfurt die Fernverbindungen.

"Die Mitarbeiter haben verschiedene Szenarien durchgespielt, um die Auswirkungen für die Fahrgäste möglichst gering zu halten", sagte gestern Bahnsprecher Dirk Pohlmann. Ein Unterschied etwa im Vergleich zum vorherigen Streik: Obwohl der Streikbeginn gestern erst für 14 Uhr angekündigt war, galt bereits ab Mitternacht ein eingeschränkter Fahrplan.

Die Bahn hatte frühzeitig damit begonnen, Fernverbindungen zu stornieren. Seit gestern Mittag wurden sukzessive auch Regionalbahnen aus dem Verkehr gezogen. "Wir wollten verhindern, dass Züge durch außerplanmäßige Zwischenhalte irgendwo auf der Strecke an den Bahnsteigen stehen, die dann nachts weder gewartet noch gereinigt werden können", sagte Pohlmann: "Unser Ziel ist es, morgen zu Betriebsbeginn überall planmäßig zu fahren."

Fahrgäste, die durch streikbedingte Zugausfälle, Verspätungen oder Anschlussverluste ihre Reise nicht wie geplant durchführen konnten, haben die Möglichkeit, ihre Fahrkarte im DB Reisezentrum, in den DB Agenturen oder via Online-Formular auf bahn.de kostenlos erstatten zu lassen.

Des einen Leid ist des anderen Freud: Fernbusse und Mitfahrzentralen konnten sich über eine rege Nachfrage freuen, auch von genervten oder verunsicherten Bahnreisenden. Alexander Edenhofer vom Anbieter ADAC Postbus sprach "von etwa 20 Prozent mehr Fahrgästen gegenüber einem vergleichbaren normalen Zeitraum". Trotz eines "spürbaren positiven Effektes" reichten die vorhandenen Kapazitäten bislang noch aus, sagte Edenhofer. Auch beim Mitbewerber Flixbus registrierte man eine steigende Nachfrage.

"Das betrifft sowohl die Buchungen als auch die Zugriffe auf unsere Internetseite", sagte Unternehmenssprecherin Bettina Engert. Der Effekt halte auch Tage nach dem Streik noch an, so Engert. Viele Verbindungen von Köln und Bonn seien stark ausgelastet.

Konkurrent MeinFernbus, nach eigener Aussage Marktführer in Deutschland, sieht sich auf die steigende Nachfrage gut vorbereitet. "Seit gestern verzeichnen wir zeitweise eine Verdopplung der Buchungseingänge. Verstärkte Buchungen registrieren wir vor allem auf den Verbindungen zwischen Ballungsgebieten und großen Metropolen. Die nachfragestärksten Verbindungen werden wir mit Zusatzfahrzeugen und Bussen mit mehr Kapazität verstärken", sagte Geschäftsführer Torben Greve.

Keinen Einfluss auf das Angebot hat man bei den Mitfahrzentralen: "Die Fahrtangebote ziehen nicht in gleichem Maße an wie die Suchanfragen", sagt Christian Schiller, Sprecher von blablacar. Vermutlich gebe es viele Bahnreisende, die gar kein eigenes Auto haben und kurzfristig nach einer Mitfahrgelegenheit suchten. Zwischen 13 und 14 Uhr hatte man gestern 70 Prozent mehr Suchanfragen als am Vortag. Auch Kontaktaufnahmen zwischen Mitgliedern hätten sich im selben Zeitraum verdoppelt. Es gebe viele Neuanmeldungen. "Die Suchanfragen ab Bonn ins gesamte Bundesgebiet sind um 17 Prozent gestiegen", so Schiller.

Auf der Achse Köln - Stuttgart seien die Anfragen sogar um 200 Prozent in die Höhe geschossen, auf der Strecke Hamburg - Köln sei ein Anstieg von 57 Prozent zu verzeichnen. Beim mit sechs Millionen registrierten Nutzern größten Mitfahrnetzwerk in Europa, mitfahrgelegenheit.de, beobachtet man zwar ebenfalls eine deutlich höhere Nachfrage, aber gleichzeitig auch ein steigendes Angebot an Fahrten. Spannend hier: "Mit den Streiks nimmt auch unser Angebot an Fahrten im ländlichen Raum zu", so Simon Baumann, Sprecher von mitfahrgelegenheit.de.

Informationen für Zugreisende unter www.bahn.de/liveauskunft oder unter der kostenlosen Servicenummer 08000/996633.

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