Bahnstreik Die Zeichen stehen auf Streik

BERLIN · Bei der Bahn zeichnen sich Streiks ab, nachdem die Tarifverhandlungen zwischen dem Unternehmen und der Lokführergewerkschaft GdL ergebnislos blieben. Sollte sich die Lage nicht ändern, bliebe der GdL nur der Arbeitskampf, betont deren Sprecher, Stefan Musiol. Eine schnelle Konfliktlösung erscheint angesichts der ungewöhnlichen Ausgangssituation dieser Tarifrunde aber zunächst unwahrscheinlich.

Ende Juni ist der Tarifvertrag zwischen der Bahn und den Gewerkschaften ausgelaufen.

Ende Juni ist der Tarifvertrag zwischen der Bahn und den Gewerkschaften ausgelaufen.

Foto: dpa

Um Lohn- und Gehaltserhöhungen für die rund 170 000 Tarifbeschäftigten des Konzerns geht es nur in zweiter Linie. Zunächst verlangen die Arbeitgeber Klarheit darüber, welche Gewerkschaft für welche Berufsgruppe sprechen darf. Denn Ende Juni ist ein Vertrag der Bahn mit der großen Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) und der kleinen GdL ausgelaufen.

Darin war die Aufgabenteilung so geregelt, dass die GdL den Tarifvertrag für die rund 20 000 Lokführer aushandelt und die EVG die Arbeitsbedingungen aller anderen Beschäftigten. Nun dürfen beide Gewerkschaften im Terrain der jeweils anderen wildern. Die GdL pocht darauf, künftig die Interessen des gesamten Zugpersonals, also zum Beispiel der Kellner in den Bistros der Züge, zu vertreten. Diesen Anspruch hat die EVG prompt gekontert. Sie will ihrerseits künftig auch die Lokführer vertreten.

Beide Gewerkschaften sind sich spinnefeind. Teilnehmer gemeinsamer Gespräche mit der Bahn beschreiben das Klima als höchst misstrauisch und gereizt. Auf der einen Seite agiert der kämpferische und oft polternde GdL-Chef Claus Weselsky, auf der anderen der eher ruhige EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. Die GdL hat einen klaren Vorteil. Sie vertritt eine Berufsgruppe mit einer massiven Streikmacht. Wenn die Lokführer die Arbeit niederlegen, läuft auf der Schiene deutschlandweit schnell nichts mehr. So kann sie ähnlich wie die Pilotengewerkschaft oder die Krankenhausärzte vergleichsweise hohe Forderungen durchsetzen. Die EVG setzt sich dagegen auch für die Beschäftigten ohne große Streikkraft ein und geht deshalb bescheidener zu Werke.

Bei der jetzt anlaufenden Lohnrunde könnte es dazu kommen, dass es sowohl für die Lokführer als auch das Zugpersonal zwei Tarifverträge gibt. Das will Ulrich Weber, der Personalvorstand der Bahn, auf jeden Fall vermeiden. In diesem Fall befürchtet der Arbeitgeber zum Beispiel unterschiedliche Arbeitszeitregelungen für die Mitglieder der beiden Gewerkschaften. "Wir müssten sieben Millionen Schichtpläne überprüfen", warnt Weber. Weber hatte einen Kompromissvorschlag erarbeitet. Danach sollte die jeweils stärkste Gewerkschaft für eine Berufsgruppe federführend für eine Berufsgruppe verhandeln, die kleinere aber mit am Tisch sitzen und Einfluss nehmen dürfen. Den Vorschlag lehnte die GdL ab und spricht von einem "Tarifdiktat". "Unterwerfung kann von uns niemand erwarten", stellt die Gewerkschaft klar.

Die Arbeitgeber wollen dagegen erst dann über Entgelterhöhungen sprechen, wenn die Rollenverteilung geklärt ist. So legte Weber der GdL zwar ein Angebot vor, aber nur für die Lokführer. 350 Euro Einmalzahlung für das restliche Jahr bieten die Arbeitgeber. Angesichts der GdL-Forderung von fünf Prozent mehr Lohn und zwei Stunden weniger Arbeitszeit in der Woche verwundert die umgehende Ablehnung der Offerte nicht. Jetzt herrscht erst einmal Funkstille zwischen allen Beteiligten.

Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation ist nicht in Sicht. So wird die GdL wohl nach einem Protesttag ihrer Mitglieder am kommenden Mittwoch schnell zu stärkeren Druckmitteln greifen und den Zugverkehr zeitweilig lahmlegen. Ob es bei Warnstreiks bleibt, hängt dann vom weiteren Verlauf der Auseinandersetzung ab. Die Lokführer haben schon einmal mit einem andauernden Streik ihre Ansprüche auf eigene Tarifverträge durchgesetzt.

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