Projekte Der Datenschwarm zieht übers Land

BONN · Google kann uns genau sagen, wie lange wir zum Zeitpunkt X von Ort A nach Ort B brauchen - den Daten der vielen Autofahrer mit der App "Maps" auf dem Smartphone sei Dank.

Big Data offenbart sich immer stärker in der Gesellschaft - und sorgt für Kritik.

Big Data offenbart sich immer stärker in der Gesellschaft - und sorgt für Kritik.

Foto: dpa

Facebook speichert alles, was im sozialen Netzwerk geschieht, um individuelle Werbung zu schalten. In den USA zahlen Krankenversicherer den Kunden Prämien dafür, sich gut in Schuss zu halten - die Überprüfung erfolgt via Fitnessarmband. Und die Polizei im "Land der unbegrenzten Datenmengen" entwickelt via Schwarmdaten Verbrechensmuster, die dafür genutzt werden, künftig Straftäter schon vor der Tat zu erkennen.

Big Data nimmt verstärkt Einfluss auf neue Produkte und das gesellschaftliche Leben. Eine Entwicklung, die die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, seit längerem genau beobachtet. "Es besteht das Risiko der Kategorisierung des Einzelnen, der er sich selbst dann nur schwer entziehen kann, wenn die Vorhersage seines Verhaltens nicht der Realität entspricht", mahnt sie.

Besonders brisant kann dies im Fall der Präventionsarbeit der Sicherheitsbehörden werden. "Wir haben eine sogenannte Analysefähigkeit", verkündete der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich im September 2012. Damals eröffnete er eine sogenannte Rechtsextremismusdatei, in der Daten von Polizei und Nachrichtendiensten zusammengeführt und analysiert werden.

Das dazugehörige Gesetz formuliert das Ziel der Datenerhebung: "...das Herstellen von Zusammenhängen zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Objekten und Sachen; der Ausschluss von unbedeutenden Informationen und Erkenntnissen, die Zuordnung eingehender Informationen zu bekannten Sachverhalten sowie die statistische Auswertung der gespeicherten Daten."

Attraktiv sind Kundendaten aber vor allem für Wirtschaftsunternehmen und Versicherer. Die locken Kunden mit einem Tausch: Daten gegen Bares. In Frankreich startete das Versicherungsunternehmen Axa eine Kooperation mit Samsung: Wer die mobile Uhr "Gear 3" trägt, damit bestimmte Daten erfasst und den Fitnessanweisungen des Programms folgt, zahlt weniger Beitrag oder sammelt Bonuspunkte.

Hierzulande startete die Sparkassen-Direktversicherung bereits Ende 2013 ein Projekt für Autoversicherungen. Über die sogenannte "Telematik"-Box wird die Fahrweise der Versicherten überprüft. Die Box wird Kunden kostenfrei eingebaut. Diese ermittelt und analysiert das Fahrverhalten und berechnet einen Score - je besser das Ergebnis, desto geringer der Beitrag. "Der Einzige, der detailliert Zugriff auf die Daten hat, bleibt der Kunde", erklärte Versicherungschef Jürgen Cramer bei der Einführung und verwies darauf, dass die Versicherung lediglich den Score, nicht aber alle erfassten Daten übermittelt bekommt.

Grenzen der Möglichkeit sind der Nutzung von Schwarmdaten kaum gesetzt. Der Einzelhandel forscht, wie er sein Sortiment in Form und Größe kundengerechter gestalten kann, die Pharmabranche, wo die nächste Grippewelle droht. Doch eine vollkommene Infiltrierung des Nutzers wollen Datenschützer so gut es geht verhindern.

"Big Data-Projekte müssen sich im vorgegebenen rechtlichen Rahmen bewegen. Anwendungen können nicht allein deswegen zugelassen werden, weil sie technisch möglich sind", fordert Datenschützerin Voßhoff. Auf europäischer Ebene sollen dafür demnächst einheitliche Datenschutzstandards für alle Unternehmen beschlossen werden.

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