3D-Drucker auf dem Vormarsch: Vom Hobby zur Industrie-Revolution?

Berlin/Bochum · 3D-Drucker waren für den Hausgebrauch lange zu teuer. Seit es auch Einsteiger-Modelle gibt, gestalten und drucken Hobby-Designer um die Wette - Kaffeetassen, Kinderspiele und Klorollen-Halter. Forscher sehen einen Wandel der Weltmärkte voraus.

 Die Technische Universität Berlin hat schon Gesichter gedruckt - in 3D. Für Privatnutzer sind die Geräte dafür häufig noch sehr teuer. Foto: Ulrich Dahl/Technische Universität Berlin

Die Technische Universität Berlin hat schon Gesichter gedruckt - in 3D. Für Privatnutzer sind die Geräte dafür häufig noch sehr teuer. Foto: Ulrich Dahl/Technische Universität Berlin

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Eines Tages fehlte an einem Geschirrspüler in Bochum ein Ersatzteil: Eins dieser kleinen Rädchen, auf denen die Geschirrkörbe vor- und zurückgleiten. Statt das Plastikteil nachzukaufen, produzierten die Mitglieder der Bochumer Hackergemeinde "Labor" es einfach selbst - mit einem Drucker. "MakerBot" - auf Deutsch Herstell-Roboter - heißt der 3D-Drucker, der das am Computer entworfene Teil in Kunststoff ausspuckte. Statt einer Bestellung beim Fachhändler oder der Suche im Internet hatte der "MakerBot" das fertige Rädchen nach nur 40 Minuten gedruckt.

Was nach Zukunftsmusik klingt, ist in der Industrie längst Wirklichkeit. Schon seit den 80er Jahren können Drucker Gegenstände zum Anfassen produzieren, heute drucken vor allem Hersteller von Flugzeugen und Autos passgenaue Bauteile. Designer und Architekten gehen zum 3D-Druck, wenn sie fertige Entwürfe plastisch vor sich haben wollen. Ingenieure lassen Bauteile drucken, deren Aerodynamik sie im Windkanal testen möchten. Doch dass Verbraucher per Mausklick zu Hause ein neues Abflussrohr für das Waschbecken oder bunte Bauklötze für die Kinder drucken, war bisher kaum denkbar. Die Maschinen waren dafür einfach zu teuer.

Heute kostet das Einsteigermodell "Ultimaker" aus den Niederlanden knapp 1200 Euro und braucht etwa so viel Platz wie ein Laserdrucker. In den USA sind einfache Geräte schon für einige hundert Dollar zu haben. Etliche Hobby-Designer zeigen inzwischen auf Portalen wie "Thingiverse" und "Shapeways", was sich per 3D-Druck alles herstellen lässt: futuristische Flaschenöffner, Rückenkratzer, Schlüsselanhänger mit eigener 3D-Gravur oder Neil Armstrongs Fußabdruck vom Mond. Allein "Thingiverse" umfasst mehr als 28 000 frei verfügbare Modelle.

Allgemein gilt: Je genauer die Drucktechnik, desto höher die Kosten. Ein Profi-Gerät kann deshalb auch eine halbe Million Euro kosten. Im günstigsten Verfahren schmilzt eine Heizdüse einen dünnen Kunststofffaden zusammen wie eine Art Heißklebepistole. Darunter bewegt sich eine Platte waagerecht und senkrecht, so dass die heiße Masse sich schichtweise zu einem Objekt auftürmt. "Die Teile sind nicht präzise und es gibt Abrisskanten", sagt Ben Jastram, Leiter des 3D-Labors der Technischen Universität Berlin, über die Arbeit vieler Low-Cost-Drucker.

Trotz der wachsenden Zahl zuhause gedruckter Gegenstände zweifelt Jastram am 3D-Boom in Privathaushalten. "Die Verfahren setzen ein umfangreiches Vorwissen voraus", sagt er. Viele Drucker werden als Selbstbausatz geliefert, und auch die Wartung erfordert gute Kenntnisse. "Das ist eine kleine Wissenschaft für sich."

Über das Geschäft mit dem "Ultimaker" kann Martijn Elserman, Mitgründer des gleichnamigen Startups, dennoch nicht klagen - 3,2 Millionen Euro Umsatz hat er seit Mai 2011 erzielt. Branchenprimus MakerBot aus den USA hat seit Anfang 2009 insgesamt 13 000 Geräte verkauft - und etliche virtuelle Designs Wirklichkeit werden lassen.

Weil die Geräte immer billiger werden, rechnet Elserman für die kommenden Jahre mit einem Boom - auch bei ungenauen Oberflächen fertiger Objekte. "Natürlich werden besonders dünne Modelle zerbrechen", sagt Elserman über die Kritik an seinem Low-Cost-Gerät. "Das ist ja, als würden Sie einen Tintenstrahldrucker mit einem Laserdrucker vergleichen."

Sollte der "Additive Manufacturing" genannte 3D-Druck zum Massenphänomen werden, könne eine Ent-Globalisierung ins Rollen kommen, vermutet der Atlantic Council, eine Denkfabrik mit Sitz in Washington. "Kann 3D-Druck die Welt verändern?", fragen die Forscher in einem Strategiepapier. Güter könnten auf Nachfrage und direkt beim Verbraucher hergestellt werden und so die Abhängigkeit globaler Märkte lockern oder gar auflösen. Nicht Produkte, sondern unzählige digitale Designs würden dann um den Erdball reisen und überall dort zu Gegenständen werden, wo ein passender Drucker angeschlossen ist.

"Additive Manufacturing könnte so weitreichende Folgen für die Welt der Hersteller haben wie PC und Internet für die Welt der Informationen", heißt es aus Washington. Die oft in Billiglohn-Länder ausgelagerte Produktion könne dank sinkender Kosten in die USA zurückkehren. Und Deutschland, vermutet der Atlantic Council, könnte seinen Platz als Export-Weltmeister einbüßen. Bis die Technik den Massenmarkt erobert, können allerdings noch zehn Jahre vergehen, schätzen Analysten der Marktforschungsfirma Gartner.

Die Hacker aus Bochum haben mittlerweile längst auch noch andere Dinge als Geschirrspüler-Rädchen gedruckt, darunter einen "Datenkrake" genannten Octopus, der umherfliegende USB-Sticks festhält. Viele von ihnen klagen noch über rauhe und ungenaue Oberflächen. Laurenz Holthoff, Mitglied des Vereins, hat trotzdem schon den nächsten Druckauftrag im Kopf: Mit dem Logo des Chaos Computer Clubs will er ein Schachbrett bauen - dann fehlen ihm nur noch die Schachfiguren.

So funktioniert ein 3D-DruckerDie einfachsten 3D-Drucker funktionieren wie eine vom Computer gesteuerte Heißklebepistole. Meist ist Kunststoff als langer, dünner Faden auf eine Spule gewickelt und wird in eine Heizdüse gezogen. Diese lässt den Kunststoff schmelzen und presst ihn in 0,25 Millimeter dünnen Schichten übereinander. So türmen sich die einzelnen Lagen nach und nach zu einem Objekt auf. Ein Kubikzentimeter kostet je nach Material zwischen 50 Cent und 10 Euro.

Voraussetzung für den 3D-Druck ist eine Computersoftware. Diese zerlegt ein digitales Modell in Schichten und schickt die Anweisungen an den Drucker. Diese Schichten ergeben übereinander gelegt das dreidimensionale Modell. Der Bauraum bestimmt dabei, wie groß ein Objekt werden kann - so wie viele herkömmliche Drucker nur im Standard-Format A4 drucken können.

Neben Kunststoff lassen sich auch Objekte aus Gips drucken. Dabei werden Pulverschichten übereinander angeordnet und dann mit einem Bindemittel verfestigt. Für industrielle Zwecke hat sich unter anderem das sogenannte Laser-Sinter-Verfahren durchgesetzt, bei dem ein Laser einzelne Kunststoff- oder Metallpartikel miteinander verschmilzt. Anschließend können die Objekte direkt verwendet oder durch Schleifen und Lackieren veredelt werden.

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