Crowdfunding-Projekt Im Death Café ist der Tod kein Tabu

London · Am Montag beginnt das Crowdfunding für ein ungewöhnliches Projekt: London soll ein "Death Café" bekommen. Auch in Bonn gibt es ein sogenanntes "Totentanz-Café"

Am Montag beginnt das Crowdfunding für ein ungewöhnliches Projekt: London soll ein "Death Café" bekommen. Gemeinnützige Aktien im Nennwert von 50 Pfund gingen auf den Markt, um einen festen Anlaufplatz einzurichten: ein Todes-Café, wo sich Menschen treffen, um Kuchen zu essen, Tee zu trinken und über den Tod zu reden.

Initiator der Kampagne ist Jon Underwood. Der 42-jährige Londoner organisiert schon seit vier Jahren Zusammenkünfte, bei denen der einzige Gesprächspunkt der Tod sein soll. Bisher waren es ambulante Ereignisse, die in Gemeindehallen, Pubs, Teestuben oder gar privaten Wohnzimmern stattfanden. Das Ziel des Todes-Cafés, erklärt er, "ist es, das Bewusstsein für den Tod zu schaffen und den Menschen zu helfen, das Meiste aus ihrem endlichen Leben zu machen." Jetzt will Jon Underwood einen Platz finden, wo er ein Todes-Café als ständige Einrichtung etablieren kann. Fürwahr eine Bereicherung der ohnehin schon originellen bis bizarren Kaffeehausszene Londons.

Es ist das letzte große Tabu in der westlichen Gesellschaft. Wer scheut sich heutzutage noch davor, sein Liebesleben zu diskutieren? Oder gar, die eigene Gehaltshöhe zu verraten? Doch wenn es um den Tod geht, herrscht Schweigen. Kein Wunder, denn Sterben macht Angst. Der Tod wird ignoriert, weil ihm kein Raum gegeben werden soll im Leben.

Was Underwoods "Death Cafe" sicher nicht sein will, ist eine Anlaufstelle für Grufties oder Morbidität suchende Zeitgenossen. Es ist auch nicht gedacht als ein Trauercafé für die Angehörigen von kürzlich Dahingeschiedenen. Stattdessen sollen ganz normale Leute ein Thema erforschen, um das normalerweise eine "tyrannische Geheimnistuerei" gemacht wird, wie es Bernard Crettaz, der Begründer der Bewegung, formulierte. Der Schweizer Ethnologe hatte erstmals 2004 ein "Café Mortel" organisiert, um den "Tod aus dem Schweigen zu bringen". Auch in Bonn gibt es ein sogenanntes "Totentanz-Café": Die Bonnerin Katja de Bragança organisiert den Treffpunkt via Facebook allerdings an immer anderen Orten (www.totentanzcafe.de).

Jon Underwood hält den Austausch über die Sterblichlichkeit für eine befreiende Erfahrung: "Wenn die Leute über den Tod reden, fallen alle ihre Vortäuschungen weg. Man spürt ihre Authentizität und erfährt Ehrlichkeit unter Fremden." Er denkt, dass für sein Projekt die Zeit gekommen ist: "Früher wurde der Tod verdrängt und den Ärzten und Bestattungsunternehmern überlassen. Jetzt beginnen die Leute zu begreifen, dass diese Haltung uns keinen Gefallen tut."

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