Dieter Nuhr "Der Shitstorm ist die Hexenverbrennung des 21. Jahrhunderts"

Bonn · Ein Tweet von Dieter Nuhr zu Griechenland löste einen Shitstorm aus, auch Jan Böhmermann hatte seinen Kollegen dafür scharf kritisiert. Nun hat sich Nuhr in der FAZ zu Wort gemeldet und spricht dort mit Blick auf Shitstorms von einem "zivilisatorischem Rückschritt".

Mit einem Vergleich zum Griechenland-Referendum hat der Kabaterrist Dieter Nuhr einen Shitstorm ausgelöst. Die Diskussionen um das Referendum hatte er bei Twitter folgendermaßen kommentiert:

Meine Familie hat demokratisch abgestimmt: Der Hauskredit wird nicht zurückgezahlt. Ein Sieg des Volkswillens!

Dieter Nuhr (@dieternuhr) 5. Juli 2015Dieser Tweet löste Diskussionen aus. Auch TV-Moderator Jan Böhmermann kritisierte den Comedian dafür scharf. Da Nuhr Kommentare unter seinem Post löschte, wurde ihm Zensur vorgeworfen. Nun hat sich Dieter Nuhr in der FAZ zu Wort gemeldet und auch zum Zensur-Vorwurf geäußert.

Diesen bezeichnet er als "abstrus" und "lächerlich". Es "handelt es sich nicht um Zensur, wenn ich auf meiner eigenen Seite lösche, was mir nicht gefällt, sondern um eine redaktionelle Entscheidung." Nuhr wurde im Zuge des Shitstorms auch in die Nähe von Rechtsradikalen gerückt, was er in der FAZ als irrsinnigen Vorwurf zurückwies.

Nuhr: Mit Shitstorms wird eine sachliche Auseinandersetzung vermieden

In diesem Sinne kritisiert er solche Shitstorms schwer. "Der Shitstorm ist der Versuch, eine sachliche Auseinandersetzung zu vermeiden, um stattdessen durch Überwältigung und Etikettierung des Andersmeinenden den Sieg im digitalen Vernichtungskampf davonzutragen. Der andere wird nicht mit Argumenten überzeugt, sondern abgestempelt." Es gehe nicht mehr um Meinungsfreiheit, sondern um Meinungshoheit.

"Soziale Netzwerke sind zum mittelalterlichen Marktplatz verkommen"

Er vergleicht in dem FAZ-Beitrag das Internet mit dem Mittelalter. So seien vor allem die sozialen Netzwerke zum mittelalterlichen Marktplatz verkommen. "Der Andersmeinende wird zunächst als wahlweise „dumm“ oder „böse“ dargestellt. Er ist also das, was man im Mittelalter als „wahnsinnig“ oder „vom Teufel“ bezeichnete", schreibt Nuhr weiter. Heute würden bei Facebook und Twitter solche Scheiterhaufen brennen.

"Der Shitstorm ist die Hexenverbrennung des 21. Jahrhunderts, Gott sei Dank bei angenehmen Temperaturen, „nur“ sozial, nicht physisch vernichtend", fasst Nuhr seinen Vergleich nochmal zusammen. Der Kabaterrist prangert am Schluss noch die fehlende Haftbarkeit im Internet an und sieht in den kommenden Jahrzehnten die Aufgabe, eine Kultur der Aufklärung im Internet zu schaffen.

Rückblick: Böhmermann legt sich mit Nuhr an

Nach den Tweet über das Referundum in Griechenland hat Nuhr auch von Jan Böhmermann Kritik hinnehmen müssen. Es entwickelte sich daraufhin eine hitzige Diskussion zwischen den beiden:

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