Bruce Jenner US-Olympiasieger und Kardashian-Vater outet sich als Transsexueller

WASHINGTON · Bruce Jenners größte Leistung ist ab sofort nicht mehr der Gewinn der Zehnkampf-Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal. Unter den Augen von 17 Millionen Fernsehzuschauern hat die 65-jährige US-National-Ikone am Wochenende in einer viel schwierigeren Disziplin neue Maßstäbe gesetzt.

 Der Mann, der sich nie als Mann fühlte: Vor laufender Kamera schilderte Bruce Jenner, wie er sein Leben lang in einer Identitätskrise steckte.

Der Mann, der sich nie als Mann fühlte: Vor laufender Kamera schilderte Bruce Jenner, wie er sein Leben lang in einer Identitätskrise steckte.

Foto: dpa

"Bruce hat sein Leben lang darüber gelogen, wer er ist. Ich kann dieses Leben nicht mehr länger leben. Ich bin in jeder Hinsicht eine Frau", gestand Jenner im Interview mit der Grand Dame des Senders ABC, Diane Sawyer.

Dass und wie sich der drei Mal verheiratet gewesene Vater von sechs Kindern offenbarte, nötigt Amerika "großen Respekt und Hochachtung" ab, schreibt die Zeitung "USA Today". Prominente aus Politik- und Show-Geschäft verneigen sich. Transsexuellen-Verbände sprechen von einem historischen Schritt, der "sogar Leben retten kann".

Anstatt der grotesken Figur, die Jenner als Patriarch in der marktschreierischen Reality-Doku-Serie über die "Kardashians" abgibt, sahen die Zuschauern einen gewissenhaften und sympathischen Menschen, der nach Jahrzehnten der Selbstverleugnung sich und seiner Umwelt über sein wahres Ich nichts mehr vormachen will.

Schon als Kind sei ihm im Alter von acht Jahren klar gewesen, dass seine Seele feminin ist, sagte Jenner. Heimlich zog er Röcke und Kleider seiner Mutter und Schwester an. Später, als erwachsener Mann, versuchte er den Übergang in das andere Geschlecht mit Hormonen und Schönheits-Operationen einzuleiten. Skrupel und die Angst vor gesellschaftlicher Stigmatisierung für sich und seine Familien ließen ihn vor dem letzten Schritt, der Geschlechtsumwandlung, zurückschrecken. Seinen Ehepartnerinnen verschwieg er die Identitätskrise. Mit seinem Coming-Out ist das Versteckspiel beendet. Und Jenner ist sicher: "Was ich mache, wird Gutes bewirken. Es wird die Welt verändern."

Jenners Bekenntnis kommt zu heikler Zeit. Einerseits rücken Transsexuelle in den USA langsam aus der Schmuddelzone. Dabei erweist sich Hollywood als Türöffner. Laverne Cox, die in der Netflix-Knast-Serie "Orange is the new Black" brilliert, war am Samstag beim "White House Correspondents Dinner" mit Präsident Obama in Washington die gefragteste Interview-Partnerin. "Transparent", eine andere Serie, die sich behutsam dem Thema widmet, gewann einen Golden Globe.

Nach Statistiken von Lobbyverbänden haben mehr als 40 Prozent der "Transgender" Selbstmordversuche hinter sich. Konservativ regierte Bundesstaaten, etwa Florida, haben sich diskriminierende "Bathroom"-Gesetze einfallen lassen. Danach dürfen Transsexuelle nur die öffentlichen Toiletten benutzen, die ihrem angeborenen Geschlecht entsprechen. Die Gegenbewegung behilft sich mit Symbolik. So warb New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo dafür, dass Krankenversicherungen die Kosten für Geschlechtsumwandlungen übernehmen.

Dass Bruce Jenners eindringliche Schilderung seiner psychischen Innenwelt die Bigotterie verschwinden lässt, glaubt niemand. Sein Bekanntheitsgrad, so die "Los Angeles Times", könnte aber neue Sensibilität erzeugen.

Als Sawyer wissen wollte, ob er sich als lesbisch bezeichnen würde, lachte Jenner: "Ich bin hetereosexuell und hatte noch nie etwas mit einem Mann", sagte der Multimillionär, "meine Kinder sollen mich weiter ,Dad? nennen." Im Sommer startet der TV-Sender E! eine Reihe über den Wandel von Bruce zu ? Jenner. Den künftigen Vornamen hält Frau Jenner noch geheim. Ist ihr gutes Recht.

Stimmen von Prominenten und Jenners Familie

Von Popstar Lady Gaga erhielt Jenner für sein Outing vor laufender Kamera per Twitter Lob: "Das ist Mut." Jenners Tochter Kendall twitterte: "Noch nie war ich stolzer auf dich, Dad!" Auch Ex-Frau Kris Jenner unterstützte ihn auf Twitter: "Nicht nur konnte ich ihn 25 Jahre lang meinen Mann und Vater meiner Kinder nennen, nun kann ich ihn auch meinen Held nennen." Jenners Tochter Kim Kardashian äußerte sich ebenfalls positiv - dazu gebracht haben soll sie laut Jenner ihr Mann, der Rapper Kanye West. Er soll Kim gesagt haben: "Ich kann mit der schönsten Frau der Welt verheiratet sein und das bin ich. Ich kann die schönste Tochter der Welt haben und die habe ich. Aber ich bin nichts, wenn ich nicht ich selbst sein kann."

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