Historischer Straßenbelag in Rom Steine des Anstoßes

ROM · Man muss einmal bei Regen mit dem Mofa über die Piazza Venezia in Rom gefahren sein, um sich eine Meinung gebildet zu haben in diesem Kampf der Kulturen. Nur mit Glück rutscht man auf den glitschigen Pflastersteinen nicht weg und kommt heil davon.

 Kopfsteinpflaster vor der Basilika San Giovanni in Laterano.

Kopfsteinpflaster vor der Basilika San Giovanni in Laterano.

Foto: dpa

Trotzdem sind sich die Römer über wenige Dinge so uneinig wie über die Pflastersteine ihrer Stadt.

Sampietrini heißen sie im Volksmund, weil sie im 17. Jahrhundert zuerst auf dem Petersplatz verlegt wurden. Dann breiteten sie sich über die Straßen der italienischen Hauptstadt aus. Ihre Verehrer halten sie für ein unersetzliches Kulturgut, ihre Gegner für ein Symbol ewigen Stillstands.

Der Streit um die zwölf mal zwölf Zentimeter messenden, ursprünglich aus vulkanischem Gestein am Stadtrand gewonnenen Quader schwelt seit Jahren. An vielen Stellen wurden die Steine bereits durch Asphalt ersetzt. Nun sehen die Befürworter auch eines der letzten Sampietrino-Biotope in Gefahr, die verkehrsumtoste Piazza Venezia im Stadtzentrum. Bürgermeister Ignazio Marino und sein Referent für öffentliche Arbeiten, Maurizio Pucci, wollen die Pflastersteine auf dem Platz beseitigen lassen und durch lärmschonenden Asphalt ersetzen - zur Freude von Mofafahrern und Stöckelschuhträgerinnen. Als Pucci kürzlich ankündigte, die teuren Steine sogar verkaufen zu wollen, um Kasse zu machen, gab es bei den Gegnern kein Halten mehr. Die Zeitung Repubblica rief den "Krieg der Sampietrini" aus. "Wahnsinn, das ist eine Beleidigung der Stadt", urteilte der extrovertierte Kunsthistoriker Vittorio Sgarbi aus Ferrara. "Ich habe mit ihnen ein Leben verbracht", jammerte der römische Star-Architekt Massimiliano Fuksas.

Moralisten würden die Debatte als durchaus rassistisch bezeichnen, da die Herkunft der Diskussionsteilnehmer für viele auch das Gewicht ihrer Argumente beeinflusst. "Der Bürgermeister ist schließlich aus Genua", sagt etwa Mirella Belvisi, die für die Kulturorganisation Italia Nostra in Rom kämpft und die mit Füßen getretenen Sampietrini als "Kulturgut" bezeichnet.

"Sie dürfen nicht beseitigt werden", fordert die Römerin, schließlich zähle das Historische Zentrum Roms zum Unesco-Weltkulturerbe. "Auch die Touristen müssen das wissen!" Unzweifelhaft haben die Sampietrini ihren Charme. Papst Clemens XII. (1730-1740) ließ viele Straßen in Rom mit Sampietrini pflastern, um Pferden, Kutschen und Karren mehr Halt zu geben. Lange waren die typischen Pflastersteine ein Charakteristikum der Stadt, auf deren Straßen heute aber Lastwagen und Jumbo-Busse fahren.

Inzwischen müssen die Steine auch noch aus China oder Vietnam importiert werden. Die Verlegung eines Quadratmeters kostet mehr als 200 Euro, dieselbe Menge Asphalt gerade einmal 50 Euro. Rom steht immer wieder am Rande der Zahlungsunfähigkeit, da ist jeder gesparte Euro ein stichhaltiges Argument.

Auf der Internetseite "Sampietrino.it" sprechen sich in einer nicht repräsentativen Umfrage 887 von 1200 Teilnehmern für den Erhalt der Sampietrini aus. Ein Römer, der schlicht unter "Alessandro" firmiert, wagte sich trotzdem in die Höhle des Löwen und erzählte seine Geschichte.

Er komme gerade aus dem Krankenhaus, wo seine Mutter wegen mehrfacher Prellungen eingeliefert worden sei, erklärt er. Der Grund: "Weil sie über einen dieser widerlichen und von euch heiß geliebten Sampietrini gestürzt ist - auf der Piazza Venezia."

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