Touren am Everest Nach Everest-Unglück verlassen Bergsteiger Basislager

Kathmandu · Die Trauer über den Verlust der Freunde und Kollegen ist zu groß: Nach der Tragödie am Mount Everest verlassen zahlreiche Bergsteiger den Berg. Unklar ist, ob diese Saison überhaupt jemand auf den Gipfel kommt. Kathmandu.

Fünf Tage nach dem Lawinenunglück am Mount Everest mit 16 Toten haben zahlreiche internationale Expeditionen ihren Aufstieg abgebrochen. Etwa die Hälfte der Gruppen habe zusammen mit den Bergführern aus Nepal eine Entscheidung getroffen und sei auf dem Rückweg, sagte der nepalesische Bergführer Karna Tamang am Mittwoch aus dem Basislager.

"Eigentlich wollten alle Sherpas absteigen, aber manche Firmen wollen das nicht." Deswegen verhandelten die anderen noch mit ihren Auftraggebern. Die nepalesischen Bergführer sind für die meisten Tourengeher unerlässlich. "Die Sherpas haben abgestimmt, dass sie absteigen möchten, und packen zusammen", erklärte Ed Marzec, dessen US-Expedition bei dem Unglück am vergangenen Freitag drei Bergführer verloren hat.

Es werde aber fast eine Woche dauern, bis alle Zelte abgebrochen seien, sagte Ngima Dendi Sherpa, dessen Bruder eine große Expedition der Kanadier Peak Freaks leitet, die sich ebenfalls zur Umkehr entschlossen hat. Auch der geplante Sprung mit einem Wingsuit vom höchsten Berg der Erde wurde abgesagt. Die nepalesische Regierung, für die die großen Expeditionen aus aller Welt eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes sind, will einen Everest-Streik aller Sherpas noch abwenden.

Der Tourismusminister und Vertreter von Bergsteigergruppen würden am Donnerstag ins Basislager fliegen, um die Sherpas umzustimmen, sagte Dambar Parajuli, Präsident des Verbandes der Tourenexpeditionen in Kathmandu. Alle 16 Tote waren Sherpas, bislang wurden 13 Leichen geborgen. Die ethnische Gemeinde, die für ihre Fähigkeiten in den Bergen bekannt ist, wurde von dem Unglück tief getroffen.

"Es ist, als habe ich alle Energie zum Bergsteigen verloren", sagte Chhedar Sherpa der nepalesischen Zeitung "República". Er war während des Lawinenabgangs nur kurz oberhalb der Stelle, an der Eis und Schnee 23 Bergsteiger aus der Spur fegten und unter sich begruben. Sieben von ihnen wurden verletzt geborgen.

"Noch nie war ich dem Tod so nahe. Der Vorfall hat mich im Inneren erschüttert", sagte Sherpa weiter. Er werde nie wieder auf den Mount Everest steigen, auch weil seine Familie ihn darum bitte. Eigentlich ist im April und Mai Hauptsaison, denn dann ist das Wetter am besten für den Aufstieg geeignet. Bergsteiger aus aller Welt zahlen normalerweise nicht nur Tausende Euro pro Person an Gebühren, sondern oft weitere Zehntausende Euro für die Organisation der Expeditionen, Bergführer, Träger, Köche, Helfer, Ausrüstung. Einige Sherpas fürchten um das Image des Himalaya-Bergsteigens, wenn jetzt gestreikt wird.

"Es geht nicht nur um die Expeditionen in diesem Jahr", sagte Lam Babu Sherpa der "Kathmandu Post". "Wir sollten auch an die Zukunft denken." Der Summit Club, die kommerzielle Tochter des Deutschen Alpenvereins, plant im kommenden Jahr ebenfalls eine Expedition auf den Everest. Allerdings werde man von Norden, von chinesischer Seite aus aufsteigen, sagte Chefbergführer Manfred Lorenz. Der Hauptgrund: Die Route durch den Khumbu-Eisbruch, wo am Freitag die Lawine abging, sei zu gefährlich.

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