Jerusalem geht gegen kritisches Theater vor Kulturpolitik mit harten Bandagen

JERUSALEM · Noch vor einer Woche von den israelischen Medien zu Erzfeinden erklärt, geben sie nun das Bild eines geradezu perfekten Paares ab: Auf einem Foto, das Israels neue Kulturministerin Miri Regev auf ihre Facebook-Seite gestellt hat, posiert sie mit dem israelisch-arabischen Schauspieler und Theaterregisseur Norman Issa.

Beide lächeln in die Kamera und halten sogar Händchen. In der geschickt in Szene gesetzten Versöhnungsidylle wirkt das Regierungsmitglied allerdings deutlich zufriedener als der Theatermann, und dies nicht ohne Grund. Die frühere Chefin der Militärzensur hatte Issa mit dem Entzug von Zuschüssen für sein kleines Jaffaer Kindertheater "El-Mina" gedroht, falls er sich weiterhin weigere, als Darsteller bei einem Gastspiel des Stadttheaters aus Haifa im von Israel besetzten Jordantal mitzuwirken. Ein solches Verhalten widerspreche jenem Geist der Koexistenz, für die Issa, der übrigens mit einer Jüdin verheiratet ist, mit seinem Kindertheater werbe.

Der Vorgang entfesselte zwar einen Sturm der Entrüstung im Land, aber aus der ersten und vermutlich nicht letzten kulturpolitischen Schlacht ihrer Amtszeit ist die Ministerin erst einmal als Siegerin hervorgegangen: Issa gab klein bei und erklärte, er werde sein Kindertheater auch in den israelischen Siedlungen im Jordantal auftreten lassen. Mit seinem Zugeständnis jedenfalls hat sich Issa der Auffassung angeschlossen, die rechte jüdische Politiker hinsichtlich jenes Parts vertreten, den Palästinenser aus Israel bei der Völkerverständigung zu spielen haben - die Tolerierung der Besetzung palästinensischer Gebiete ist hier offensichtlich eingeschlossen.

Doch nicht alle in Israel lebenden und wirkenden palästinensischen Kulturschaffenden wollen sich die Rolle des "guten Arabers" überstülpen lassen. Gegen sie, als fünfte Kolonne verdächtigt, richtet sich der zweite umstrittene Vorstoß von Miri Regev, mit dem sie ihrem noch weiter rechts außen stehenden Ministerkollegen Naftali Bennett sekundiert. Erziehungsminister Bennett hatte sich als Erster über sämtliche Regeln der Kulturförderung hinweggesetzt, als er die gerade von einem ministeriellen Fachausschuss genehmigte Unterstützung für das Stück "Parallelzeit" des arabischen "Al-Midan"-Theaters in Haifa kurzerhand strich.

Begründung: Der Staat werde keine Theaterarbeit subventionieren, die "Soldatenmörder" als Helden verehre. "Parallelzeit" widme sich der Geschichte des Terroristen Walid Daka, der in Israel seit mehr als einem Vierteljahrhundert eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüße. Regev folgte Bennett auf dem Fuß und fror die staatlichen Fördergelder für das Theater ein. Angeblich müssen seine Finanzierungsquellen genauer geprüft werden.

"Parallelzeit" werde, heißt es, schon am heutigen Samstag wieder aufgeführt, und man plane eine große Protestkundgebung in Haifa vor dem Rathaus. Gegen die angekündigte Aufführung wollen rechte jüdische Aktivisten vor dem Theater demonstrieren.

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