DWD-Präsident im GA-Interview "Jeder Bürger kann bei uns anrufen"

Wie vorhersehbar ist unser Wetter? Ziemlich vorhersehbar, meint Gerhard Adrian. Mit dem Präsidenten des Deutschen Wetterdienstes sprachen Tina Stommel, Dietmar Kanthak und Michael Wrobel.

 Gutes Wetter, schlechtes Wetter...

Gutes Wetter, schlechtes Wetter...

Foto: dpa

Schaut ein Präsident des Deutschen Wetterdienstes morgens selbst den Wetterbericht?

Gerhard Adrian: Aber sicher! Ich bin Fernpendler, fahre mit der Bahn zur Arbeit und habe morgens die Auswahl: entweder die halbe Stunde mit der S-Bahn zum nächstgrößeren Bahnhof oder sechs Kilometer mit dem Fahrrad zu fahren. Und für diese Entscheidung brauche auch ich die Wettervorhersage.

Und die holen Sie sich bei Ihren Mitarbeitern?

Adrian: Die mache ich mir sogar tatsächlich selbst - und habe dafür fast schon mal Ärger bekommen: Als ich diese Geschichte mal einem Bekannten vom Bundesrechnungshof erzählt habe, meinte dieser nur: "Oh, das war ja ein geldwerter Vorteil."

Wie das Wetter wird, will jeder wissen. Wer sind Ihre wichtigsten Kunden?

Adrian: Wir haben den gesetzlichen Auftrag, als Wetterdienst auch die deutsche Luftfahrt zu beraten. Das heißt: In Deutschland hebt kein Flugzeug ab oder landet ohne eine Wetterinformation von uns. Auch der Flughafenbetrieb selbst wird zunehmend wetterabhängig. In Deutschland ist die Hauptursache für Verspätungen im Flugverkehr das Wetter. Im Winter muss die Runway schneefrei sein, die Flugzeuge müssen enteist werden - das sind alles Verzögerungen im Betrieb, die letztendlich bei der Organisation berücksichtigt werden müssen. Und da kommen wir ins Spiel.

Also wirkt ihre Vorhersage unmittelbar auf die Wirtschaft?

Adrian: Ja. Denn für Arbeiten wie das Enteisen von Flugzeugen werden Leiharbeiter eingesetzt, die nicht immer am Flughafen sind. Die müssen also im Vorfeld eingeplant werden - und das aufgrund der Wettervorhersage. Wir haben beispielsweise am Flughafen Frankfurt zusammen mit der Flughafenverwaltung ein Meldesystem aufgebaut, um die Mitarbeiter einplanen zu können.

Was, wenn Sie sich irren?

Adrian: Wir entwickeln daher zusammen mit dem Flughafen - und das ist auch unser aktuelles Forschungsthema - die probabilistischen Vorhersagen. Das bedeutet: Wir versuchen, die Unsicherheiten in der Wettervorhersage zu bestimmen. Die Vorhersagbarkeit des Wetters ist eine Eigenschaft des Wetters und der Atmosphäre - und die ändert sich von Tag zu Tag. Es gibt Wettersituationen, da kann man lange und sehr gut vorhersagen. Und es gibt Wetterphänomene, die können wir praktisch nicht vorhersagen. Das Flughafen-Management muss mit dieser Unsicherheit umgehen können.

Welche Wetterphänomene lassen sich denn nicht vorhersagen?

Adrian: Jedes Phänomen hat eine Zeitskala. Der Lebenszyklus eines Tiefdruckgebiets beispielsweise hat in der Regel eine Zeitskala von zwei bis drei Tagen, ein Hochdruckgebiet vielleicht von drei Wochen. Man kann ein Phänomen in etwa über das Doppelte dieser Zeitskalen vorhersagen. Ein Gewitter aber hat eine Zeitskala von nur einer halben Stunde - da wird es schwer, es früh vorherzusagen.

Haben wir heute heftigere Wetterlagen als früher?

Adrian: Nein. Wir hatten 2003 Kyrill - das war der letzte große Wintersturm über Europa. Gut, wir wissen natürlich nicht, was in diesem Herbst passiert. Es hat immer wieder Episoden gegeben, wo beispielsweise solche Winterstürme dicht aufeinander kommen und dann wieder lange Zeit Pause machen. Im Moment sind wir in einer solchen "Pausenlage".

Wie früh wussten Sie von Kyrill?

Adrian: Kyrill war ein Sturm, der sehr gut vorhergesagt werden konnte. Das wussten wir schon eine Woche vorher. Das war eine wirklich lange Vorhersagzeit. Die typischen Winterstürme in Europa können wir in der Regel vier bis sechs Tage vorhersagen.

Auch bei uns gibt es unter ga.de eine Seite mit Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes. Wie sehr kann man sich auf solche Warnungen eigentlich verlassen?

Adrian: Unsere Warnungen werden ständig verifiziert. Vierteljährlich machen wir dazu auch eine sehr aufwendige Statistik. Aber ein Gewitter ist zum Beispiel oft viel kleiner als ein Landkreis. Wenn wir eine Wetterwarnung etwa für den Rhein-Sieg-Kreis herausgeben, kann es sein, dass das Unwetter nur über einem einzelnen Ort tobt. Und schon haben Menschen in den nicht betroffenen Orten das Gefühl, die Unwetterwarnung sei falsch - dabei war unsere Warnung, die wir ja für den Kreis herausgegeben haben, durchaus korrekt. In Zukunft versuchen wir, unsere Warnungen auch auf einzelne Ort herunterzubrechen.

Solche hyperlokalen Angebote gibt es im Internet zuhauf.

Adrian: Der Deutsche Wetterdienst soll den kommerziellen Anbietern ja keine Konkurrenz machen. Uns liegen diese Informationen aber genauso vor. Jeder Bürger kann bei uns anrufen und erhält die gewünschte Auskunft - etwa ob er am Samstag draußen grillen kann. Dafür muss er allerdings bezahlen, in der Regel so etwa fünf bis sechs Euro. Die Angaben bei Internet-Anbietern kann ich nicht alle einschätzen. Ich weiß nicht, woher die einzelnen Anbieter ihre Informationen beziehen und wie sicher sie sind.

Wenn ich bei Ihnen eine Wettervorhersage gekauft habe, kann ich die aber nicht zurückgeben, wenn sie mir nicht gefällt oder sie erst einen Ort weiter zutrifft...

Adrian: Naja, Ihre Leser geben ja auch nicht die Zeitung zurück, wenn ihnen die Nachrichten nicht gefallen, oder?

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