Das Porträt Ein sehr bewegter Mann

BERLIN · Am Anfang war ein Mädchen, zwölf Jahre alt, und eine simple Bitte: Ob Schauspieler und Regisseur Til Schweiger ("Der bewegte Mann", "Keinohrhasen", "Kokowääh") auf seiner Facebook-Seite nicht zu Unterstützung und Spenden für Flüchtlinge in Deutschland aufrufen könne.

 Til Schweiger, ein sehr bewegter Mann.

Til Schweiger, ein sehr bewegter Mann.

Foto: dpa

Schweiger, dessen Facebook-Seite nach eigenen Angaben rund 1,3 Millionen Fans folgen, teilte den Spendenaufruf und war wenig später tatsächlich der Mann, der bewegt: Die Fan- und Netzgemeinde reagierte mit Unterstützung, aber auch mit teils hartem Protest. Teilweise so ehrverletzend, dass der 51 Jahre alte Künstler auf seiner Seite deutlich wurde: "Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ihr braucht euren Hass und eure Dummheit hier nicht bei mir ablassen", teilte er einer breiten Öffentlichkeit mit.

Schweiger, der vor zwölf Jahren aus der SPD ausgetreten ist, kann nicht verstehen, "dass Menschen in Deutschland aus Angst vor Islamisierung und Radikalisierung des Islam auf die Straße gehen und gleichzeitig Menschen, die genau davor fliehen, nicht helfen", sagte er der "Bild am Sonntag".

Doch Schweiger will mehr als nur diesen Spendenaufruf. Gemeinsam mit Freunden werde er ein "Vorzeige-Flüchtlingsheim" bauen, kündigte er an. Ein Objekt gebe es auch schon: eine betagte Kaserne in Osterode im Harz. Seit der vergangenen Woche sei "alles unter Dach und Fach", so der Schauspieler. Mit Freund ist in diesem Fall unter anderem Wolfgang Koch gemeint, der Geschäftsführer der Firma "Princess of Finkenwerder", die die Kaserne in Osterode Ende 2014 aus einer Konkursmasse gekauft hatte.

Seither würden Anlage und Gebäude renoviert. Das Land Niedersachsen will in der einstigen Kaserne als Erstaufnahmelager bis zu 600 Flüchtlinge unterbringen und die Flüchtlingsunterkunft nach der Renovierung mieten. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) begrüßte die Initiative von Schauspieler Schweiger: "Ich freue mich wirklich sehr über das Engagement und das Interesse von Til Schweiger."

Die Innenminister von Bund und Ländern können privates Engagement zur Unterbringung von Flüchtlingen sehr gut gebrauchen. Seit 2011 sind die Anträge auf Asyl in Deutschland wieder jedes Jahr deutlich angestiegen. Stellten im vergangenen Jahr bereits 200.000 Flüchtlinge einen Antrag (nach noch 127.000 im Jahr 2013), waren es allein im ersten Halbjahr 2015 bereits knapp 180.000.

Schweiger kündigte an, das von ihm unterstütze Vorzeigeprojekt in Osterode werde Freizeitangebote für Kinder haben, eine Sportanlage wie auch eine Näherei und Werkstätten, damit die Flüchtlinge dort auch arbeiten könnten. Nach Angaben von "Princess of Finkenwerder"-Geschäftsführer Koch wird Schweiger die geplante Flüchtlingsunterkunft in Osterode aber nicht persönlich betreiben. Das Land Niedersachsen setzt auf einen Betreiber mit einem sozialen Hintergrund. Ende dieses Jahres sollen die ersten 200 Flüchtlinge einziehen. Schweigers Aufruf hätte sich schon gelohnt.

Der Schauspieler und Regisseur will nicht verstehen, dass in Deutschland Brücken gebaut werden, damit Frösche die Autobahn überqueren, oder Milliarden für die Rettung von Banken mobilisiert werden, aber kein Geld für Flüchtlinge da sein soll. Via Facebook forderte Schweiger: "Frau Merkel, Herr Gabriel, übernehmen Sie!!!!" Immerhin: Mit Gabriel hat er in der Sache schon telefoniert. Schweiger will zu dem Flüchtlingsheim auch eine Stiftung für traumatisierte Kinder gründen.

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