Golden-Gate-Bridge in San Francisco Ein Netz gegen den Sprung in den Tod

SAN FRANCISCO · Nie war die tödliche Magnetwirkung der "Red Lady", die sich majestätisch über der Meerenge von San Francisco spannt, so groß wie heute. 46 Menschen sprangen 2013 von der Golden-Gate-Brücke in den Tod.

 Golden Gate: Die Luftaufnahme zeigt die weltbekannte Brücke an der Bucht von San Francisco, die bei Lebensmüden traurige Anziehungskraft hat. Mehr als 1600 Menschen starben bislang beim Sprung von der Brücke in 67 Meter Tiefe.

Golden Gate: Die Luftaufnahme zeigt die weltbekannte Brücke an der Bucht von San Francisco, die bei Lebensmüden traurige Anziehungskraft hat. Mehr als 1600 Menschen starben bislang beim Sprung von der Brücke in 67 Meter Tiefe.

Foto: dpa

118 konnten durch Brückenarbeiter oder Passanten von dem fünf Sekunden dauernden Fall aus 67 Metern Höhe abgehalten werden. Seit der Eröffnung des Bauwerks 1937 nahmen sich mehr als 1600 Menschen an einem der schönsten Orte dieses Planeten das Leben. Das zu überwindende Geländer ist nur 1,20 Meter hoch. An dieser gefährlichen Barrierefreiheit soll sich jetzt etwas ändern.

Nach jahrelanger Diskussion, bei der die Sorge vor einer Verschandelung der Architektur-Ikone betont wurde, stehen die Zeichen an der Westküste der USA nun auf Vorbeugung. Für rund 66 Millionen Dollar soll sechseinhalb Meter unter der Brücke ein horizontal gespanntes, von weitem kaum erkennbares Auffangnetz aus Stahl installiert werden. Die Bauzeit wird mit drei Jahren veranschlagt. Beginn könnte Ende 2014 sein. Vorausgesetzt, das Geld kommt zusammen. Im Mai fällt die letzte Entscheidung.

Manager Denis Mulligan vom "Golden Gate Bridge, Highway and Transportation District", der Gesellschaft, die das Brückenareal bewirtschaftet, zeigte sich nach einem Besuch in der Hauptstadt zuversichtlich. In Washington hat die einflussreiche Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, eine Kalifornierin, signalisiert, dass bis zu 44 Millionen Dollar aus Bundestöpfen an die San Francisco Bay fließen könnten. Noch vor zwei Jahren schien eine Mitfinanzierung durch Washington aussichtslos.

Mit Harold B. Wobber fing alles an. Der 47-jährige Veteran des Ersten Weltkrieges war im August 1937 der erste Mensch, der die Balustrade überwand und in den Tod sprang. Schon 1973 war die 500er-Marke erreicht. Lange vor der 1000er-Schallgrenze 1995 hatten die örtlichen Zeitungen die Berichterstattung über die "Jumper" (Springer) eingestellt.

Auf Drängen der Stadtoberen. Durch Ignorieren und kaum erkennbare Hilfsangebote sollte Nachahmen verhindert werden. Was nie gelang. Die 13 blauen Notrufknöpfe auf der Brücke ("Es gibt Hoffnung, rufen Sie an!") wurden nach Angaben von Brückensprecherin Mary Currie "so gut wie nie benutzt." Und die Opfer werden immer jünger. Das Durchschnittsalter der Leichen, die aus dem Wasser gefischt werden, sank in den vergangenen Jahren nach Angaben der Polizeistatistiker von 35-45 auf 20-30 Jahre.

Vor einer wirksamen Barriere für Selbstmörder schreckten die Lokalpolitiker, die Jahr für Jahr Millionen Dollar durch die Pkw-Maut auf der Brücke einnehmen, lange zurück. Zu teuer, zu hässlich, lauteten die Standard-Argumente. Außerdem: Wer seinem Leben unbedingt ein Ende setzen wolle, der mache es - so oder so.

Falsch, sagte bereits 1978 Richard Seiden, Professor der gegenüber der Brücke gelegenen Universität in Berkeley. Er wies nach: Von über 500 Menschen, denen der Sprung am Golden Gate ausgeredet werden konnte, waren 25 Jahre nach dem Suizid-Versuch noch 95 Prozent am Leben.

Kevin Hines war lange Zeit ein engagierter Streiter für ein Auffangnetz. Er hatte sich im September 2000 von der Brücke gestürzt und den Aufprall wie durch ein Wunder schwer verletzt überlebt. "In der Sekunde, als ich das Geländer losließ, wusste ich, dass es ein schwerer Fehler war", sagte er später in einem Interview, "ich wollte nicht sterben."

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