Umwelt-Zwangsabgabe auf Einwegflaschen Die Mehrwegflasche wird zum Auslaufmodell

BERLIN · 230 Glasnoppen hat sie, 0,7 Liter passen hinein. Die Perlen stehen für die sprudelnde Kohlensäure und machen die Flasche rutschfest. Die 1968 von Günter Kupetz entworfene "Normbrunnenflasche" ist ein Designklassiker. Sie eroberte den Getränkemarkt, später kam noch die PET-Variante hinzu.

 Coca-Cola setzt wieder vermehrt auf Einwegflaschen.

Coca-Cola setzt wieder vermehrt auf Einwegflaschen.

Foto: dpa

Mit 1,2Milliarden Mineralwasser- und Limoflaschen soll dieses Mehrweg-Systemnach Angaben der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB) das größteEuropas sein. Die Frage ist, wie lange noch? Denn viele Bürger greifen seit Jahren lieber zur schnödenEinweg-Wasserflasche aus dem Discounter. Das zermalmende Quietschenim Rückgabeautomaten gehört zur Begleitmusik beim Einkauf. Auch hierist zwar Pfand - meist 0,25 Cent - zu zahlen. Und der Plastikmüllwird oft zu neuen Flaschen wiederverwertet. Aber Energie- undRessourcenaufwand sind um einiges größer - die Ökobilanz istschlechter. Selbst Dosen sind wieder verstärkt auf dem Vormarsch.

Es ist ein Rückschlag

Mit der Einführung der Perlenflasche beendetedie GDB mit vielen Mineralwasser- und Limoherstellern damals dasineffiziente System mit unterschiedlichen Flaschentypen. DieEntscheidung setzte Maßstäbe im Umweltschutz.Eine Glasflasche wird heute im Schnitt 50 Mal wiederbefüllt, diePET-Variante 15 bis 25 Mal. Aber der Mehrweganteil liegt beiMineralwasser nur noch bei 29,6 Prozent, der Grund liegt imBilligwasserverkauf im Discounter. Für 19 Cent sind 1,5 Liter schonzu bekommen, das Pfand ist mitunter teurer als das Produkt.

Dank der Bierflachen kann zwar noch eine Mehrwegquote von 45,7Prozent erreicht werden - aber vom in der Verpackungsverordnungverankerten Ziel einer 80-Prozent-Quote an Mehrwegverpackungen und"ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen" ist man sehrweit entfernt. Aufgeschreckt hat die Bundesregierung daher derjüngste Schwenk von Coca-Cola. Der Getränkekonzern will bei 0,5- und1,5-Literflaschen verstärkt auf Einweg setzen."Unserer Schätzung nach sind deutschlandweit etwa 1000 Jobs durch dieEntscheidung pro Einweg massiv bedroht", meinte Freddy Adjan von derGewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Dabei gehe es um Fahrer oderArbeiter, die Kästen bestücken und Flaschen reinigen.

Coca-Cola sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Bisher habeman eine Mehrwegquote von 56,7 Prozent bei Erfrischungsgetränken -doppelt so hoch wie der Bundesschnitt. Die 0,5-Liter-Flasche seiheute ein klassisches Unterwegsprodukt, die Flasche werde also seltenim Mehrwegkasten zurückgegeben. Daher gebe es höhere Flaschenverlusteund geringere Umlaufzahlen.Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der DeutschenUmwelthilfe (DUH), sieht einen Mitgrund in der Marktmacht derDiscounter. "Die Entscheidung von Coca-Cola, seine Produkte bei Aldiund Lidl zu listen, ist als eine Entscheidung für Einweg zuverstehen, dort werden grundsätzlich keine Mehrwegverpackungenangeboten." Die wollen keine Lagerräume für Leergut vorhalten.

Klassisches Mehrwegsystem wird zum Auslaufmodell

Der klassische Getränkemarkt mit Mehrwegsystem wird so zumAuslaufmodell. Was also tun? Bundesumweltministerin Barbara Hendricks(SPD) will keine gesetzliche Mehrwegquote, da dies nach Worten einerSprecherin einem Teil-Verbot von Einwegverpackungen gleichkommen undGetränkehersteller über Gebühr belasten würde. Auch eine Zwangsabgabeauf Einweg will sie "derzeit" nicht. Die Präsidentin desUmweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger, hält hingegenZwangsmaßnahmen für denkbar: "Eine Zusatzabgabe für Einweg, zurStützung des Mehrwegs, schließen wir nicht aus."

DUH-Mann Fischer findet das gut, ihm schweben 20 Cent vor - dannwürde die Wasserflasche beim Discounter 39 statt 19 Cent kosten, plus25 Cent Pfand. Und was soll mit den Einnahmen passieren? Das könnefür Abfallvermeidungsmaßnahmen und zur Unterstützung desMehrwegsystems eingesetzt werden. Das Einwegpfand müsse parallelbeibehalten werden, denn sonst würde die Landschaft zugemüllt.

Vor allem aber werden die Länder ermahnt, als ersten Schritt ein imBundesrat vor sich hin schmorendes Vorhaben umzusetzen: Eine klareKennzeichnungspflicht im Supermarkt, was ist Einweg, was ist Mehrweg.Denn viele denken Pfand gleich Mehrweg. Der Entwurf liegt seitFebruar 2013 vor. Hendricks mahnt, rasch zuzustimmen. AuchKrautzberger pocht darauf: "Denn viele Verbraucher wollen Mehrwegkaufen, landen aber bei Einweggetränken."

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