Mafiasohn für Palermos Touristen Die Mafia zum Anfassen

PALERMO · Es ist Samstag, der erste Tag der 15-köpfigen amerikanischen Reisegruppe auf Sizilien. Morgens geht es nach Monreale in die normannische Kathedrale.

Mittags ist Palermos Innenstadt dran, mit Marktbesuch und typischen Spezialitäten zum Mittagessen. Um 18 Uhr steht für viele das Highlight des Tages im Hotel Plaza Opera auf dem Programm. Nach einer "erhellenden Diskussion" über die sizilianische Mafia (auch bekannt als Cosa Nostra), kündigt der Veranstalter das Treffen mit "einem der Söhne eines früheren Mafiabosses" an. Danach gibt es Abendessen.

Das Abenteuerprogramm "Siziliens alte Landschaften, zeitlose Traditionen" des exklusiven US-Reiseunternehmens "Overseas Adventure Travels" erfreut sich bei nordamerikanischen Touristen guten Erfolgs. In Italien sorgt der Programmpunkt mit Angelo Provenzano, dem Sohn des Mafiabosses, allerdings für Irritationen. Der 39-Jährige ist der Erstgeborene eines der größten Verbrecher aller Zeiten: Bernardo Provenzano. Nach elf Jahren als Boss der Bosse wurde Provenzano im April 2006 oberhalb des sizilianischen Städtchens Corleone in einer Bauernhütte gefasst. Die Ermittler hatten die Wege der auf kleine Zettel ("pizzini") geschriebenen Geheimbotschaften des Bosses zurückverfolgt. Die waren über Umwege an dessen Frau gelangt, die Mutter Angelo Provenzanos. Und der hat sich nie ausdrücklich von seinem Vater und der Cosa Nostra distanziert.

"Widert Sie die Mafia an?", wurde Angelo Provenzano vor drei Jahren von einer Reporterin gefragt. Er entgegnete: "Mich stört jede Art von Gewalt." Seinem inzwischen 82 Jahre alten und offenbar schwer kranken Vater, der nach zehn Verurteilungen zu lebenslänglichen Haftstrafen wegen Morden an Richtern, Politikern und normalen Bürgern inzwischen das neunte Jahr in Haft sitzt, will der Filius kein Haar krümmen. Er verteidigt seine Auftritte mit dem Hinweis, er brauche Arbeit und sei von den Möglichkeiten des Tourismussektors überzeugt. Also referiert Provenzano Junior immer samstags vor einer Kleingruppe. Er berichtet von den ersten 16 Jahren seines Lebens, auf der Flucht mit dem Vater. Von dessen Familiensinn und davon, wie schwierig es ist, den Nachnamen Provenzano zu tragen.

Antimafia-Aktivisten auf Sizilien protestieren. "Man darf die Mafia nicht in dieser Weise ausnützen", sagt etwa Maria Falcone, die Schwester des von der Cosa Nostra unter Bernardo Provenzano ermordeten Richters Giovanni Falcone. Giovanni Impastato, Bruder des 1978 von der Mafia getöteten Aktivisten Peppino Impastato, fordert Angelo Provenzano zum Bruch mit dem Vater auf. Staatsanwälte wüssten außerdem gerne, wo sich das in den Jahren illegal angehäufte Vermögen des weiterhin schweigenden Bosses befindet und was die Familie über die Verhandlungen zwischen Cosa Nostra und italienischem Staat Anfang der 90er Jahre weiß.

Das Bostoner Reiseunternehmen verteidigt sich unterdessen gegen Kritik. Die Tourgäste, alle an der Grenze zum Pensionsalter, wollten Sizilien gründlich kennen lernen. "Sie treffen auch die Fischer aus Portopalo sowie Flüchtlinge, die auf Sizilien landen", sagte ein Sprecher. Man wolle Italiens Süden eben mit all' seinen Problemen vorstellen.

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