Filmkritik "Der Hobbit - Eine unerwartete Reise"

Bonn · Es ist ein freundlicher Überfall. Zwerg um Zwerg platzt in die gemütliche Hobbit-Höhle von Bilbo Beutlin herein. Man plündert die Speisekammer, nutzt Truhen als Fußabtreter und Teller als Frisbees. Na gut, der alle überragende Magier Gandalf sorgt manchmal für Ruhe. Aber insgesamt fegen die 13 wehrhaften Winzlinge Bilbos Lebensideal von Ruhe und Gemütlichkeit aus der guten Stube.

Als am nächsten Morgen alle weg sind, ohne den eigentlich Abenteuer-allergischen Bilbo, spurtet der auf ebenso großen wie leichten Hobbit-Füßen hinterher. So beginnt "Eine unerwartete Reise" (Untertitel), der erste Teil von Peter Jacksons gewaltiger Trilogie "Der Hobbit", der in dieser Woche in die Kinos kommt.

Längst darf sich der Regisseur als Ehrenprofessor für das verwinkelte Werk von J.R.R. Tolkien fühlen, dessen Meilenstein "Herr der Ringe" er zu cineastischem Weltruhm brachte. Dass die schmalere Vorgeschichte nun auf ähnliches XXL-Format aufgeblasen wird, dient wohl weniger den Mythen von Mittelerde als dem Mammon.

Um den freilich geht es ja ohnehin. Kein "Rheingold", nein, der Schatz im Inneren des "Einsamen Bergs" weckt Begierden. Seit er an den Drachen Smaug fiel, der die Zwerge vertrieb, ziehen diese heimatlos umher und sinnen unter Führung des wehrhaften Thorin Eichenschild (Richard Armitage) auf Rache.

[kein Linktext vorhanden] Bilbo kommt vor allem deshalb ins Spiel, weil Smaug zwar Zwerge meilenweit riechen kann, aber keine Hobbits. Das schuppige Monstrum lässt freilich nur anfangs eine mächtige Feuerwalze über die Leinwand donnern und bleibt ansonsten im Wartestand. Allerdings gibt es für Bilbo & Co. mehr als genug zu tun: Steinzeitliche Riesentrolle und die monströsen Orks rösten sich gern mal einen Zwerg am Spieß, so dass David-gegen-Goliath-Kämpfe hinter jeder Wegbiegung lauern.

Hat Jackson es ohnehin geschafft, dass seine neuseeländische Heimat von jedem Kinogänger für Mittelerde gehalten wird, so baut er seinen sagenhaften Helden diesmal einen grandiosen Überlebenstest-Parcours. In Digital-3-D und mit doppelter Bildrate (48 Bilder pro Sekunde) ist sein Film technisch bis an die Zähne bewaffnet. Von ausgesetzten Felskanzeln hinter Wasserfallschleiern blickt man schwindelnd in unermessliche Schluchten, und wenn die Orks auf ihren Höllenhund-ähnlichen Wargen heransprengen, sucht der Zuschauer instinktiv Deckung.

[kein Linktext vorhanden] Es gibt etliche schwerterklirrende Scharmützel vor Kulissen von brillanter Plastizität und wimmeliger Einfallsfülle. Der Bergstollen des schwabbeligen Ork-Königs etwa überwältigt mit Hängebrücken-Labyrinthen, über die unvorstellbare Kriegermassen hasten. Tolle Effekte, die manchmal indessen an eine überladene Geisterbahn erinnern. Zumal Jackson die überschaubare Story wie Hefeteig ausrollt und mit einem aufdringlichen Soundtrack aus Schmettern und Säuseln einschmiert. Immerhin streut er mehr als eine Prise Humor ein (etwa wenn sich ein Troll den armen Bilbo als Taschentuch schnappt und herzhaft hineinschnäuzt).

Und durchs Spektakel schlängelt sich das schöne Leitmotiv vom kleinen Hobbit, der um den Respekt des skeptischen Recken Thorin ringt. Martin Freeman verleiht dem Titelhelden viel selbstironischen Stubenhocker-Charme, gegen den sich der Nahkampfmut erst langsam durchsetzt. Pocht in seiner Schlüsselbegegnung mit dem ausgezehrten Gollum (gefährlich und erbärmlich: Andy Serkis) das dunkle Herz des Films, so ist der grandiose Ian McKellen als Gandalf nicht nur die Lebensversicherung der Zwerge, sondern die weise Seele des Ganzen.

Weit sind sie alle nach 166 Minuten noch nicht gekommen, sehen von Ferne gerade mal den "Einsamen Berg". Aber der Weg ist das Ziel dieser fantastischen Reise. Und wenn etwa Riesenadler die Zwerge aus den Zweigen einer fast schon ins Bodenlose gestürzten Tanne pflücken, ist das nur eins von vielen nie gesehenen Bildern.

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