Noroviren Brechobst made in China

PEKING · Auslöser der Durchfallwelle in Deutschland waren Erdbeeren mit Noroviren aus China. Inzwischen kommt jede Menge Obst von dort.

 Arbeiter in einer chinesischen Fabrik bereiten tiefgefrorene Erdbeeren für den Export vor.

Arbeiter in einer chinesischen Fabrik bereiten tiefgefrorene Erdbeeren für den Export vor.

Foto: dpa

Die Ursache ist geklärt. Die Noroviren, die bei mehr als 11.000 Kindern und Jugendlichen vergangene Woche in den ostdeutschen Bundesländern Brechdurchfall ausgelöst haben, befanden sich in tiefgekühlten Erdbeeren des Catering-Unternehmens Sodexo.

Und die Herkunft dieser Erdbeeren hat das Robert-Koch-Institut auch ermittelt: China. Dafür aber stellt sich nun eine ganz andere Frage: Wieso werden die kleinen roten Früchtchen über den halben Kontinent geschifft und landen dann im Mensafraß auf dem Teller ostdeutscher Schulkinder? Die Frage ist einfach zu beantworten: Wegen der geringen Kosten. Nach Angaben eines Mitarbeiters eines bekannten deutschen Marmeladenherstellers sind eine Tonne chinesischer Erdbeeren bereits für rund 600 Euro zu bekommen. Deutsche Erdbeeren würden mehr als das dreifache kosten. Und selbst spanische Erdbeeren kommen immer noch auf mehr als den doppelten Preis.

Kein Wunder, dass inzwischen rund 80 Prozent aller in der Nahrungsindustrie verbrauchten Erdbeeren aus der Volksrepublik stammen. Warum das nicht auffällt? Weil sie zumeist in Form von Marmelade, Gelee, Kompott oder Geschmacksverstärker in Joghurts, Süßigkeiten, Backwaren oder Eiscreme auftauchen. Und auf der Verpackung muss nicht angegeben werden, woher der Obstanteil kommt. Tatsächlich sind Erdbeeren aus China so gut wie aus keinem deutschen Haushalt mehr wegzudenken.

Und damit nicht genug: Ein Großteil des Apfelsaftkonzentrats in Deutschland stammt ebenso aus China wie Dosenmandarinen, aber auch Knoblauchknollen und Blattspinat. Chinas Unruheprovinz Xinjiang ganz im Westen des Landes hat sich bereits vor einiger Zeit zum weltweit zweitgrößten Tomatenproduzenten gemausert und ist weltgrößter Hersteller von Ketchup und Tomatenmark.

Die Entwicklungshilfeorganisation Südwind schätzt, dass insgesamt 37 Prozent der weltweiten Obst- und Gemüseproduktion mittlerweile aus dem Reich der Mitte stammt. Dabei kommt es gerade in China immer wieder zu Lebensmittelskandalen, mit der Folge dass auch die meisten Chinesen Produkten aus ihrem eigenen Land nicht mehr trauen. Wer es sich in Städten wie Peking und Schanghai leisten kann, kauft etwa in Geschäften Milch und Joghurt aus dem Ausland. Der chinesischen Führung sind die Probleme durchaus bewusst. Sie hat bereits vor einiger Zeit strenge Lebensmittelverordnungen erlassen, die sich mit denen in den EU-Ländern durchaus messen können. Es hapert allerdings an der Umsetzung.

Nun sind Seuchen wie der Norovirus keineswegs ein explizit chinesisches Problem. Der Norovirus kann überall auftauchen. Was Früchte aus China allerdings anfälliger macht als Obst und Gemüse aus EU-Anbau: In der Volksrepublik wird immer noch mit Jauche gedüngt. "Das wiederum hängt mit der Struktur der chinesischen Landwirtschaft zusammen", erklärt Liu Xiaojing von Orient Agribusiness, einer Beratungsfirma in Peking spezialisiert auf Landwirtschaft.

Bei den Obstanbauern handele es sich häufig um Kleinbauern, die sich qualitativ hochwertige Düngemittel nicht leisten könnten und weiter auf Fäkalien ihrer Viehzucht setzten. Angesichts ihrer Vielzahl sei es nicht einmal für die chinesischen Zwischenhändler nachvollziehbar, von wem sie welche Früchte bekommen haben.

Firmen wie Sodexo und anderen Nahrungsmittelherstellern, die Früchte und andere landwirtschaftliche Produkte aus China beziehen, ist mit solchen Erklärungen wenig geholfen. Nach dem deutschen Produkthaftungsgesetz müssen sie für Fehler in den von ihnen angebotenen Produkten geradestehen.

Bücher als Trostpflaster:
Nach der Brechdurchfall-Epidemie in Ostdeutschland entschädigt der Caterer Sodexo die betroffenen Kinder mit Gutscheinen in Höhe von jeweils 50 Euro. Die Gutscheine würden in Kürze verteilt, kündigte ein Sprecher des Lieferanten für Schulessen am Dienstag an. Sie können bei einem Berliner Verlag für Bücher, Lernmittel oder Nachhilfeangebote eingelöst werden. (dpa)

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