Feuerbakterium bedroht Süditalien Angriff auf die Olivenbäume

SALENTO · Es klingt so, als herrschte Krieg. "Xylella rückt vor. Es hat Lecce längst hinter sich gelassen", sagt Pantaleo Piccinno. "Bald wird es die Gegend um Brindisi angreifen." Noch ist dieser Krieg fast lautlos. Nur das leise Zischen der Sprühdosen ist bisher im Salento zu vernehmen. Die Männer der Forstwache sprühen rote Kreuze auf die Stämme der Olivenbäume.

 Etwa eine Million Olivenbäume müssen in Apulien nach dem Befall durch das Bakterium Xylella fastidiosa abgeholzt werden.

Etwa eine Million Olivenbäume müssen in Apulien nach dem Befall durch das Bakterium Xylella fastidiosa abgeholzt werden.

Foto: dpa

Das bedeutet: Abholzen. Mindestens eine Million Olivenbäume soll es treffen. Eine Umweltkatastrophe.

Pantaleo Piccinno ist Präsident des Landwirtschaftsverbandes der Provinz Lecce in Apulien. Die Gegend, der Absatz des italienischen Stiefels, erlebt gerade einen Albtraum. Das Bakterium Xylella fastidiosa, das Feuerbakterium, hat hunderttausende Olivenbäume der Halbinsel befallen. Bislang gibt es kein Heilmittel gegen den gefährlichen Krankheitserreger. Deshalb forderte vor Wochen bereits die Europäische Kommission die Abholzung aller befallenen Bäume. Nun müssen ganze Haine, über tausendjährige, verknorpelte und geschwungene Olivenbäume weichen. Sie waren Stolz und Symbol eines ganzen Landstrichs. Zudem ist die Existenz von 7500 Olivenbauern bedroht.

Nach Schätzungen sind bereits eine Million Bäume unheilbar erkrankt. Das von Insekten übertragene Bakterium führt zur Austrocknung und zum Absterben der Pflanzen. Insgesamt bis zu zehn Millionen Olivenbäume im Salento könnten betroffen sind. Der von der Regierung berufene Sonderkommissar für den Notstand, Giuseppe Silletti, hat den Befehl zur Abholzung gegeben. "Die Situation ist dramatisch", sagt er. Silletti hat in Zusammenarbeit mit dem italienischen Katastrophenschutz eine 15 Kilometer breite Pufferzone vom Ionischen Meer bis zur Adria einrichten lassen, in der nun systematisch gefällt und entwurzelt wird. Denn es genügt nicht, die kranken Äste und Stämme abzusägen. Das Gras in der gesamten Gegend muss geschnitten werden, der Boden umgepflügt und massenhaft Pestizide müssen gespritzt werden.

Das Bakterium verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Beim Ausbruch der Krankheit 2013 waren 8000 Hektar Land betroffen, jetzt sollen es bereits 230 000 Hektar sein. "Es ist ein Drama von biblischen Ausmaßen", sagt Pantaleo Piccinno. Xylella fastidiosa ist vor allem in Nord- und Lateinamerika bekannt. 1996 befiel das Bakterium Weinstöcke in Kalifornien und richtete Schäden in Millionenhöhe an. Nun breitet sich Xylella erstmals auch in Europa aus, in nicht vorhersehbarem Ausmaß.

Die europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) stellte bereits im Januar über den Xylella-Fall in Süditalien fest: "Eine Ausbreitung in der EU ist sehr wahrscheinlich." Der Erreger wird im Salento durch die Wiesenschaumzikade von Pflanze zu Pflanze übertragen. Die Insekten könnten versehentlich auch über Menschen oder Fahrzeuge aus der Quarantänezone exportiert werden und den Erreger so weiterverbreiten. Zudem zeigen sich die Symptome nicht in allen befallenen Pflanzen sofort. Die Regionen Kampanien, Latium, Umbrien und Toskana, in denen es ebenfalls eine starke Olivenproduktion gibt, sind alarmiert. Auch Griechenland, Spanien und Portugal müssen eine Ausbreitung des für die Pflanzen tödlichen Bakteriums fürchten.

Xylella fastidiosa war bislang als Erreger für Krankheiten bei Zitrusfrüchten, Weinreben sowie Mandel-, Pfirsich- und Pflaumenbäumen bekannt. Außerdem gibt es Befälle von Oleanderpflanzen. Erstmals öffentlich wurde der Befall von Olivenbäumen in Apulien bereits im Jahr 2013. Die Staatsanwaltschaft Lecce ermittelt gegen Unbekannt und prüft, ob alle notwendigen Maßnahmen zur Eingrenzung des Bakteriums unternommen worden sind. Unklarheit besteht vor allem über die Einfuhr von Xylella fastidiosa nach Süditalien. Eine der Thesen ist, dass mit dem Bakterium infizierte Zierpflanzen über niederländische Importeure aus Costa Rica nach Apulien, insbesondere in die Gegend um Gallipoli, gelangt sind. Die Ermittler interessieren sich aber auch für einen wissenschaftlichen Workshop 2010 in der Nähe von Bari, bei dem das Xylella-Bakterium, das Wissenschaftlern zufolge die Eigenschaften einer biologischen Waffe hat, zu Forschungszwecken eingeführt werden durfte.

Umweltschützer und das von namhaften Staatsanwälten vertretene Observatorium der Landwirtschaftskriminalität vermuten Interessen hinter der Plage. So habe etwa die Tourismusindustrie schon seit langem Appetit auf die von den Olivenbäumen besetzten Landstriche. Aus ihrer Sicht ist der Kahlschlag umsonst: Nie könnten alle von Xylella fastidiosa befallenen Pflanzen erfasst und das Bakterium beseitigt werden.

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