Costa Concordia Abschied von Giglio

GIGLIO · Das Wrack der "Costa Concordia" hat die Insel verlassen und wird nach Genua geschleppt

Angelo Milano stand oben auf der Bergstraße, von der man den besten Blick auf das Wrack hatte. "Ich bin ein Seemann", sagte der Inselbewohner. "Und nur Seeleute können das verstehen. In dem Moment, in dem die Costa Concordia ablegte, hat das Schiff seine Würde zurückerlangt." Es war ein beeindruckendes Szenario, das sich den Schaulustigen am Morgen vor der italienischen Insel Giglio bot.

Die "Costa Concordia", das Kreuzfahrtschiff, das am 13. Januar 2012 einen Felsen gerammt hatte und dann halb gesunken vor der Insel lag, legte gestern endgültig ab. Gezogen von zwei Hochseeschleppern, begleitet von einem Konvoi aus insgesamt 14 Schiffen, stach sie wieder in See. 30 Monate nach dem Unglück, bei dem 32 Menschen ihr Leben verloren. Die Leiche eines der Opfer wird immer noch vermisst.

Vor allem das Tempo war erstaunlich, mit dem das Schiff nun wieder Fahrt aufnahm. "Alles hat perfekt geklappt", bestätigte Franco Porcelacchia, der für die Bergungsarbeiten zuständige Ingenieur der Reederei Costa Crociere. Die ersten Manöver hatten am Morgen begonnen, nachdem die erste Personenfähre vom Festland den Hafen von Giglio erreicht hatte.

Zunächst wurde die "Costa Concordia", die von 30 mit Pressluft gefüllten Stahlcontainern Auftrieb bekommt, um 90 Grad von der Insel weg auf das Meer gedreht. Erst waren nur die lauten Dieselmotoren der beiden Schlepper zu hören. Als schließlich einige der für den Abtransport verantwortlichen Techniker an Bord des schwimmenden Wracks auf dem obersten Deck jubelnd die Arme in die Höhe streckten, wussten auch die Menschen am Festland: Die "Costa Concordia" hat abgelegt.

Um kurz nach neun Uhr morgens signalisierte die "Costa Concordia" selbst mit einem langen Hupen ihren Abschied von der Insel. Am Hafenkai, der von Hunderten Zuschauern gesäumt war, brandete Applaus auf. "Endlich bringen sie sie weg", sagte ein Inselbewohner. Das Ereignis wurde von Dutzenden Journalisten und Kamerateams aus aller Welt begleitet. Wie es hieß, habe der Bürgermeister von Giglio, Sergio Ortelli, bei der Abfahrt Tränen in den Augen gehabt.

Bei der späteren Pressekonferenz sagte Ortelli: "Das ist ein historischer Tag für Giglio. Wir sind nicht die Insel einer Tragödie, sondern eine Insel, die zur Normalität zurückkehren will." Vor der Abfahrt hatte der Pfarrer der Gemeinde, Don Lorenzo Pasquotti, das Schiff gesegnet. In beinahe festlicher Atmosphäre spritzte ein Schlepper in einer Art Seemannsgruß mit zwei Pumpen minutenlang Wasser auf das schwimmende Relikt. "Es ist eine Befreiung", sagte der Pfarrer.

Kurz zuvor war ein Inselbewohner mit einem kleinen Boot in die Nähe des Wracks gesegelt, am Mast flatterte eine Fahne mit der Aufschrift: "Grazie a tutti" (vielen Dank an alle). Der Gruß war an die etwa 500 Mitarbeiter der Firmen Titan Salvage und Micoperi gerichtet, die das Schiff wieder aufgerichtet hatten und auch den Abtransport vorbereiteten. Um 11.15 Uhr Uhr wurde das letzte Tau gekappt, mit dem die "Costa Concordia" an den eigens konstruierten Aufbauten vor Giglio befestigt war. Seither bewegt sich das Wrack im Schritttempo von zwei Knoten, also knapp vier Kilometer pro Stunde, in Richtung Norden und soll am Sonntag den Hafen von Genua-Voltri erreichen. Dort wird die "Costa Concordia" verschrottet.

Nicht mehr als zwölf Ingenieure und Techniker, darunter auch der Koordinator der Bergungsarbeiten, Nicholas Sloane, wechseln sich während der Fahrt in Schichten auf dem obersten Deck des Wracks in einem Kontrollraum ab. Dort laufen die Daten von 4800 am Schiff angebrachten Sensoren zusammen, anhand derer die Stabilität des schwer beschädigten Havaristen überwacht wird. Neben den zwei Schleppern, die das Wrack ziehen, gehören zu dem Konvoi unter anderem: ein Segelboot, das Delfine abhalten soll, mehrere Boote, die eventuell aus dem Wrack austretende Objekte oder Flüssigkeiten aufsammeln können, zwei Ersatzschlepper und ein Schiff der Küstenwache. Auf sechs Kilometer darf sich dem Konvoi kein Boot nähern, der Luftraum über dem Wrack ist gesperrt.

Als Angelo Milano noch einmal auf die Bucht blickte, in der die "Costa Concordia" zweieinhalb Jahre gelegen hatte, sagte er: "Das Gefühl ist unbeschreiblich. Es ist wie ein großer Bauchschmerz, der plötzlich nicht mehr da ist."

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