Aus Liebe zu ihren homosexuellen Enkeln 84-jährige Großmutter tritt aus Kirche aus

NIEDERSACHSEN · Marie ist 84 Jahre alt, fast genau so lange war sie Mitglied der Evangelischen Kirche - doch nun ist sie ausgetreten, weil sie findet, dass die Kirche ihre homosexuellen Enkel diskriminiert.

 Screenshot des Briefs, der bei Facebook veröffentlicht wurde.

Screenshot des Briefs, der bei Facebook veröffentlicht wurde.

Foto: Screenshot: Facebook/Enough is Enough - open your mouth

In einem Brief, den die Organisation "Enough is enough", die sich für Gleichberechtigung einsetzt, nun auf Facebook veröffentlichte, macht die Großmutter ihre Entscheidung öffentlich, um gegen Homophobie in der Kirche zu protestieren.

In ihrem Schreiben erklärt Marie: "Ich habe zwei Enkel, welche beide homosexuell sind. Wir haben ein sehr enges Miteinander und ich erlebe, wie sie leben. Sie sind glücklich, sie leben in einer glücklichen, seit Jahren bestehenden Beziehung, in der sie füreinander da sind. Sie kümmern sich um mich und helfen mir bei alltäglichen Dingen."

"Ausgelebte Homosexualität" als Sünde

Als die Großmutter am 7. April die NDR-Reportage "Die Schwulenheiler" im Fernsehen gesehen hat, war sie fassungslos. Denn dort behauptete Pastor Gero Cochlovius aus Niedersachsen, dass - so stehe es in der Bibel - "praktizierte, ausgelebte Homosexualität" nicht dem Willen Gottes entspreche und daher Sünde sei.

"Hat er nicht aus unserer Geschichte gelernt?"

Seine Aussagen "verdeutlichen ein komplett anderes Verhältnis von Liebe und Partnerschaft, als ich es mit meiner christlichen Überzeugung sehe. Homosexuelle als Sünder zu bezeichnen und 'Heilung' anzubieten, ist unverantwortlich.

Gerade jüngere Menschen ließen sich dadurch vielleicht auf einen gefährlichen Weg bringen. Verunsicherung? Umerziehung? Destabilisierung? Sind das christliche Werte?", erklärt die 84-Jährige empört.

Für die Großmutter sind die Aussagen des Pastors daher nicht nachvollziehbar, denn wenn "Menschen glücklich sind, sich lieben und sich um ihre Nächsten kümmern, dann kann es keine Sünde sein. Jedoch, gegen andere Menschen zu hetzen, ist in meinen Augen eine Sünde."

Sie vermisse den Aufschrei ihrer Kirchengemeinde, schreibt Marie. Aus diesem Grund sei sie nach so langer Zeit aus der Kirche ausgetreten. An ihrem tiefen Glauben ändert das nichts: Sie werde künftig zu Hause beten.

"Wir sind sehr stolz auf sie"

Kim Röhrbein, einer der Enkel von Marie, hat den Brief im Auftrag seiner Oma bei Facebook veröffentlicht, um das Thema auch im Netz publik zu machen. Daraufhin hat der Brief dort riesige Wellen geschlagen. Der Enkel hat seiner Oma einige Kommentare von Facebook-Usern vorgelesen - sie war begeistert von der Unterstützung.

Als ich auf der Arztschule war, habe ich in Homosexulität wohl gefehlt. War solange kotzen. #Schwulenheiler#kopftisch

Jann Chounard (@derJann) 7. April 2015Er selbst geht offen mit seiner Homosexualität um: "Ich war 20, als ich das erste Mal mit ihr über meine Homosexualität gesprochen habe. Im ersten Moment war sie nicht begeistert. Das war vor 17 Jahren und wir leben auf dem Land. Sie hat sich aber sehr schnell daran gewöhnt und sich gedacht: 'So ist das, man kann es nicht ändern, er ist noch der Alte.' Inzwischen bin ich seit 14 Jahren mit Robert zusammen, auch er hat ein gutes Verhältnis zu Oma. Wir sind sehr stolz auf sie."

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