Nach drei Jahren Zschäpe spricht zum ersten Mal im NSU-Prozess

München · Jahrelang schwieg sie eisern, nur schriftlich erklärte sie sich über ihre Anwälte. Auch auf Fragen antworteten ihre Verteidiger für sie. Jetzt hat Beate Zschäpe erstmals selbst das Wort ergriffen.

 Zschäpe wirkte nervös.

Zschäpe wirkte nervös.

Foto: Matthias Schrader

Nach dreieinhalb Jahren des Schweigens hat die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess zum ersten Mal persönlich das Wort ergriffen .

Sie bedauere ihr "Fehlverhalten" und verurteile, was ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Opfern "angetan haben", sagte sie in einer kurzen Erklärung vor dem Münchner Oberlandesgericht. Zudem distanzierte sich die Hauptangeklagte von "nationalistischem Gedankengut".

In der kurzen Erklärung, die sie von einem Blatt Papier ablas, räumte Zschäpe ein, sich früher "durchaus mit Teilen des nationalistischen Gedankenguts" identifiziert zu haben. Dies sei heute jedoch nicht mehr so. Im Laufe der Jahre seien ihr solche Dinge "wie Angst vor Überfremdung zunehmend unwichtiger" geworden. "Heute beurteile ich Menschen nicht nach Herkunft und politischer Einstellung, sondern nach Benehmen." Die Erklärung dauerte etwa eine Minute, die 41-Jährige sprach schnell und mit leiser Stimme

Zschäpe, das einzige noch lebende Mitglied des NSU-Trios , steht seit dem 6. Mai 2013 in München vor Gericht. Mundlos und Böhnhardt töteten sich den Ermittlungen zufolge im November 2011 nach einem missglückten Banküberfall selbst, um der Festnahme zu entgehen.

Die Bundesanwaltschaft wirft der 41-Jährigen Mittäterschaft an zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden und zwei Sprengstoffanschlägen vor, die dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelastet werden. Mundlos und Böhnhardt sollen laut Anklage die Morde und Anschläge begangen haben, Zschäpe soll das Leben des Trios im Untergrund organisiert und zudem von sämtlichen Verbrechen gewusst haben.

In ihrer kurzen Einlassung verwies Zschäpe auf frühere Erklärungen, die ihre neuen Anwälte Mathias Grasel und Hermann Borchert in den vergangenen Monaten in ihrem Namen abgegeben hatten. In der ersten, vom Dezember 2015, hatte sie jede Beteiligung an den NSU-Verbrechen abgestritten und die Opfer und deren Angehörige um Entschuldigung gebeten. Zuvor hatte sie - seit ihrer Festnahme im November 2011 - eisern geschwiegen und war damit der Strategie ihrer Alt-Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm gefolgt.

Seit Dezember antwortete Zschäpe auch wiederholt auf Nachfragen des Gerichts - aber immer nur schriftlich und mit Verlesung der Antworten durch ihre Anwälte. Dies ging auch am Donnerstag nach Verlesung ihrer kurzen Erklärung weiter: Auf die Frage des Gerichts, welche Konfliktfelder es zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt einst gegeben habe, antwortete Anwalt Borchert im Namen Zschäpes, sie wolle da insbesondere die Mordtaten nennen. Zudem habe sie schon damals darüber nachgedacht, ob ihr nicht eine Mittäterschaft vorgeworfen werden könnte. Sie habe mit den beiden in engsten Verhältnissen gelebt, las Borchert vor.

Auf Fragen der NSU-Opfer und von deren Anwälten will Zschäpe aber immer noch nicht antworten, auch nicht schriftlich. Das bekräftigte Borchert am Donnerstag auf Nachfrage eines Nebenklage-Anwalts.

Nach mehr als 300 Verhandlungstagen könnte der NSU-Prozess nun in absehbarer Zeit zu Ende gehen: Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte zuletzt den psychiatrischen Sachverständigen aufgefordert, "zeitnah" zunächst das vorläufige schriftliche Gutachten über die Hauptangeklagte zu erstellen. Gutachter Henning Saß sagte zu, er wolle in der dritten Oktoberwoche liefern. Das psychiatrische Gutachten gilt in Strafprozessen in der Regel als Schlusspunkt der Beweisaufnahme.

Außerdem forderte Götzl die Prozessparteien auf, noch ausstehende Anträge zu stellen. Ob damit das Beweisprogramm seitens des Senats beendet sei, ließ er auf Nachfrage aber noch offen. Ein neuer Befangenheitsantrag des mitangeklagten Ralf Wohlleben gegen alle Richter war zuletzt von einem anderen Senat abgelehnt worden.

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