Analyse Wutbürger im Staatsdienst: Sachsens Polizei steht am Pranger

Dresden · Immer wieder Sachsen. Fast scheint es so, als würde der Freistaat in der öffentlichen Wahrnehmung kein Fettnäpfchen auslassen. Dabei schiebt man das Land gern auch mal in die rechte Schublade. Die Polizei wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Mit einem Mann mit Anglerhütchen, Sonnenbrille und sächsischem Dialekt lässt sich kein Staat machen. Selbst wenn das Hütchen in den Deutschland-Farben leuchtet.

Der gereizte Auftritt eines Pegida-Anhängers, der wie die Karikatur eines Wutbürgers wirkt und als Videoausschnitt schnell im Netz die Runde macht, hat Sachsen wieder einmal in die Schlagzeilen gebracht.

Nicht nur deshalb, weil Beamte der Aufforderung des Mannes folgten und ein ZDF-Team so lange kontrollierten, dass es seiner Arbeit kaum noch nachgehen konnte. Als herauskam, dass der Hütchenträger beim Landeskriminalamt Sachsen sein Geld verdient, war die Zeit für ein neues Sachsen-Bashing reif.

Rückblende: Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einer Woche ihre Parteifreunde von der Landtagsfraktion in Dresden besuchte, waren die Augen der Polizei vor allem auf Gegendemonstranten gerichtet. Sowohl die islam- und ausländerfeindliche Pegida-Bewegung als auch die AfD im Landtag hatten Kundgebungen angemeldet.

Merkels letzter großer Auftritt bei der zentralen Feier zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2016 war in einem Eklat geendet. Aufgebrachte Pegidisten pöbelten vor laufenden Kameras und rückten Sachsen in ein schlechtes Licht - so wie es auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 mit Protesten gegen Asylsuchende immer wieder geschah.

Ein Polizist hatte damals Pegida einen "erfolgreichen Tag" gewünscht, was die Menge mit "Eins, zwei, drei, danke Polizei!" quittierte und die Polizeiführung am Abend der Einheitsfeier zu einer Distanzierung veranlasste. Auch andere Sachverhalte wie das wegen seiner Nähe zur NS-Symbolik heftig kritisierte Logo des Spezialeinsatzkommandos Sachsen irritierten wiederholt.

Doch lässt sich aus solchen Einzelfällen auf die Gesinnung der Polizei insgesamt schließen? Wohl kaum. Die beiden Polizeigewerkschaften wehren sich gegen den Eindruck, ihre Kollegen könnten auf dem rechten Auge blind sein.

Tatsächlich lieferten sächsische Polizisten im April dieses Jahres beim Neonazi-Festival im ostsächsischen Ostritz ganz andere Bilder. Beherzt, abgeklärt und entschlossen verwiesen sie Rechtsextreme in die Schranken und drangen unvermittelt auf deren Festgelände vor, als der Verdacht einer Straftat vorlag. "Die Polizei hat mein Vertrauen. Sie leistet eine ganz wichtige Arbeit", nahm Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) die Beamten jetzt in Schutz.

Bei der Opposition im Landtag scheint das Vertrauen dagegen aufgebraucht zu sein. "Es gibt eine Serie polizeilicher Fehlleistungen rund um Pegida-Demos - ob das Nichteinschreiten bei menschenverachtenden Transparenten, eine freundliche Lautsprecherdurchsage oder mangelhafter Schutz für attackierte Journalistinnen und Journalisten. Was wir hier bei der Polizei erleben, ist eine Folge des generellen Versagens bei der politischen Bildungsarbeit in Sachsen unter CDU-Dominanz", sagt Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken im Landtag.

Auch Valentin Lippmann, Innenpolitiker der Grünen, sieht erhebliche Defizite der Polizei in der politischen Bildung, bei interkultureller Kompetenz und Demokratie: "Wir brauchen in Sachsen endlich eine Fehlerkultur bei der Polizei, die den Namen auch verdient, und keine Wagenburgmentalität bei problematischen Vorfällen." Diese müsse auch von Innenminister Roland Wöller (CDU) gelebt werden: "Ebenso braucht es eine grundsätzliche Neuaufstellung der Aus- und Fortbildung der Polizei in den Bereichen Demokratie und Grundrechte."

Der Journalist Arndt Ginzel, der beim Merkel-Besuch den ZDF-Beitrag für das Magazin "Frontal 21" drehte, äußert sich differenziert: "Wir haben in den letzten Jahren immer wieder die Erfahrung gemacht, dass am Rande von AfD-, aber auch Pegida-Veranstaltungen [...] Journalisten an ihrer Arbeit gehindert wurden und dass quasi auch Polizisten sich benutzen lassen." Über längere Zeit habe man schon den Eindruck, dass es ein Problem mit rechten und rechtsextremen Tendenzen gibt - "was aber nicht bedeutet, dass es keine Beamten gibt, die sich ihrer Verantwortung und sich dessen bewusst sind, was sie hier tun."

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