Wut über Ferguson: US-Bürger protestieren in 170 Städten

Ferguson · Die Proteste gegen die Straffreiheit für den weißen Todesschützen von Ferguson haben sich auf mindestens 170 Städte in den USA ausgedehnt. Von New York über Los Angeles bis San Francisco gingen in der Nacht zum Mittwoch Menschen auf die Straße, wie US-Medien berichten.

 Um erneute Unruhen in Ferguson zu verhindern, wurde die Nationalgarde in der Kleinstadt massiv verstärkt. Foto:Alexey Furman

Um erneute Unruhen in Ferguson zu verhindern, wurde die Nationalgarde in der Kleinstadt massiv verstärkt. Foto:Alexey Furman

Foto: DPA

Allerdings handelte es sich überwiegend nur um kleinere Demonstrationen, zu denen sich jeweils Hunderte Menschen versammelten.

Sie demonstrierten gegen die als rassistisch kritisierte Entscheidung einer Geschworenenjury, kein Gerichtsverfahren gegen einen weißen Polizisten zu eröffnen, der den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown erschossen hatte.

In vielen Städten legten die Demonstranten den Verkehr lahm, wie die Zeitung "USA Today" berichtete. Zu so schweren Krawallen wie in der Nacht zuvor in Ferguson im Bundesstaat Missouri kam es jedoch nicht. Dort ebbte die Gewalt ab.

In New York marschierten Hunderte Demonstranten von Manhattans Union Square zum Times Square und nach Harlem. Ein Teilnehmer sagte dem TV-Sender CNN, er wolle nur helfen, Veränderungen anzumahnen. Er habe sich spontan dem Protestzug angeschlossen. "Manchmal werde ich aufgrund meiner Hautfarbe diskriminiert." Auch in der Hauptstadt Washington gingen rund 1000 Menschen friedlich auf die Straße.

In Atlanta, dem Geburtsort des Bürgerrechtlers Martin Luther King, blockierten Demonstranten eine Schnellstraße. "Es ist ein Hohn", sagte die Demonstrantin ShaCzar Brown. "Vor 70 Jahren war es erlaubt, Schwarze umzubringen", sagte sie mit Hinweis auf Lynchmorde in den US-Südstaaten. "Im Prinzip ist es das immer noch."

Demonstranten in Oakland in Kalifornien warfen Scheiben ein und plünderten Geschäfte, während in Los Angeles eine Schnellstraße blockiert wurde. Auch aus Großstädten wie Boston, Denver, Seattle, Washington und Dallas wurden Proteste gemeldet.

In Ferguson beruhigte sich die Lage vergleichsweise. Rund 2000 Nationalgardisten sicherten den Vorort der Metropole St. Louis, drei Mal so viele wie am Montag. Beamte riegelten die Straßenzüge, in denen es zu Plünderungen gekommen war, ab. "Insgesamt war es eine viel bessere Nacht", sagte Polizeichef Jon Belmar.

Einen Zwischenfall gab es vor dem Rathaus, als Demonstranten einige Fenster mit Steinen zertrümmerten und einen Streifenwagen umstießen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Einige Beamte seien mit Flaschen voller Urin beworfen worden. Insgesamt kam es in der Nacht zu 45 Festnahmen. Vor der Polizeizentrale skandierte eine Menschenmenge: "Wir sind nicht der Feind, wir wollen nur Gerechtigkeit."

Der Polizist Darren Wilson hatte Brown Anfang August mit mehreren Schüssen niedergestreckt, weil er sich bedroht fühlte. Trotz der Jury-Entscheidung kann der Fall weiter ein rechtliches Nachspiel haben. Justizminister Eric Holder erklärte, auf Bundesebene werde wegen des Todes des 18-jährigen Brown sowie wegen des Verhaltens der Polizei bei den folgenden Unruhen noch ermittelt.

Präsident Barack Obama nannte es tragisch, dass "in zu vielen Teilen dieses Landes ein tiefes Misstrauen" zwischen den Sicherheitskräften und der farbigen Bevölkerung bestehe. Das sei auch ein Erbe der Rassendiskriminierung. "Dieses Problem ist kein Ferguson-Problem, das ist ein amerikanisches Problem", sagte Obama später. Zu den Ausschreitungen machte er klar: "Ich habe keinerlei Sympathie für diejenigen, die ihre eigene Gemeinde zerstören."

Der Todesschütze Wilson erklärte, er bedauere den Tod Browns, würde aber erneut so handeln. Er habe um sein Leben gefürchtet und nur seine Arbeit getan, sagte er dem TV-Sender ABC. Er habe ein reines Gewissen. In seiner Zeugenaussage vor der Jury hatte der Polizist gesagt, der Jugendliche habe ausgesehen wie ein "Dämon".

Auch die Familie des Teenagers äußerte sich in einem Interview. Die Angaben des Polizisten "klingen verrückt", sagte Michael Browns Vater dem TV-Sender NBC. "Mein Sohn hat die Polizei respektiert." Es könne gar nicht sein, dass er auf einen Beamten zugerannt sei, wenn der eine Waffe auf ihn gerichtet hätte. Der Familienanwalt beklagte, dass der Polizist in seiner Zeugenaussage mit Vorurteilen über Schwarze gearbeitet habe. Die Browns behielten sich vor, Wilson auf zivilrechtlichem Weg zu verklagen.

An diesem Donnerstag feiern die USA mit Thanksgiving ihren höchsten Feiertag, der für viele arbeitsfrei ist. Ob die Proteste über die traditionell festliche Zeit trotzdem weitergehen war nicht absehbar.

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