Drei Kontinente betroffen Vogelgrippe unter Wildvögeln weitet sich zur Pandemie aus

Greifswald-Insel Riems · Die Zahl gefundener Wildvögel steigt, immer mehr Regionen sind betroffen: Ein hochansteckender Vogelgrippe-Erreger breitet sich in Europa, Afrika und Asien aus. In Deutschland ist ein zuvor nie gekanntes Ausmaß erreicht.

 Die Situation hat nach Einschätzunge des Friedrich-Loeffler-Instituts ein "nie zuvor gekanntes Ausmaß" angenommen.

Die Situation hat nach Einschätzunge des Friedrich-Loeffler-Instituts ein "nie zuvor gekanntes Ausmaß" angenommen.

Foto: Felix Kästle

Seit dem ersten Nachweis im russisch-mongolischen Grenzgebiet im Sommer habe sich der hochgefährliche H5N8-Erreger zunehmend ausgebreitet, hieß es vom Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems. Mit Europa, Asien und Afrika seien nun drei Kontinente betroffen.

"Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist beachtlich", sagte FLI-Präsident Thomas Mettenleiter. "Wir sehen im Moment keine Tendenzen zu einer Abschwächung, weder was die Zahl der gefundenen Vögel noch was die geografische Ausbreitung angeht." In Deutschland war der Erreger erstmals vor einem Monat, am 8. November, bei einer toten Wildente am Bodensee und verendeten Wasservögeln in Schleswig-Holstein nachgewiesen worden. Inzwischen sind 13 Bundesländer betroffen.

Neben Hunderten Nachweisen bei Wildvögeln erfassten die Behörden in den vergangenen vier Wochen bundesweit 16 Ausbrüche in Geflügelhaltungen, davon vier in Zoos. "Mittlerweile haben in Deutschland die Fälle bei Wildvögeln und Ausbrüche bei Geflügel und in zoologischen Einrichtungen ein nie zuvor gekanntes Ausmaß angenommen", heißt es in der aktuellen Risikobewertung des FLI. Zum Vergleich: Bei einer ähnlichen Vogelgrippe-Pandemie unter Wildvögeln mit dem Erreger H5N1 war in Deutschland im Jahr 2006 ein Geflügelbestand betroffen, auch im Folgejahr blieb es bei Einzelfällen.

Den Grund für die aktuell vermehrte Eintragung des H5N8-Erregers in Geflügelhaltungen sieht das FLI im offenbar höheren Infektionsdruck aus der Wildvogelpopulation. So sei der Anteil infizierter Vögel unter den Totfunden deutlich höher als 2006/2007. In Europa ist der Erreger demnach inzwischen in zwölf Staaten nachgewiesen worden. Darüber hinaus meldeten Indien, Iran, Israel, Tunesien und Ägypten H5N8-Fälle.

In Frankreich waren bis zum Wochenbeginn sieben Betriebe im Südwesten des Landes betroffen. Die Region hatte bereits im Vorjahr schwer unter einer anderen Vogelgrippe-Variante gelitten, damals hatten die Behörden den Export von lebenden Vögeln und Hühnern verboten - eine solche Situation will Frankreich diesmal unbedingt verhindern. Gerade wurde die Risikostufe im ganzen Land von moderat auf hoch angehoben. Bislang galt diese Stufe nur für einige Regionen. Damit müssen Zuchtbetriebe zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.

Die neuen Fälle kurz vor der Weihnachtszeit sind ein Dämpfer für die französische Geflügelbranche: Eigentlich hätte das Land Anfang des Monats seinen Status "frei von Vogelgrippe" wiedererlangen können - doch damit wird es nun erstmal nichts. Damit dürften Exportmärkte in Asien, vor allem China und Japan, für französische Produkte vorerst weiter tabu bleiben.

Ein Abklingen der Vogelgrippe-Welle ist nach Einschätzung der FLI-Fachleute noch nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Der für Geflügel hochgefährliche Erreger , der bislang konzentriert bei Wildvögeln an den Küsten und am Bodensee gefunden wurde, werde inzwischen zunehmend bei Wasservögel-Kadavern an Binnengewässern nachgewiesen.

Das Institut empfiehlt den Bundesländern inzwischen, auch tote Säugetiere, die in Gebieten mit hoher Wildvogeldichte gefunden werden, zu untersuchen. Es gebe bislang zwar keine Indizien dafür, dass es zu einem Sprung des Erregers von Vögeln zu Säugetieren komme, sagte Mettenleiter. Auch Versuche des Instituts, bei denen Mäuse und Frettchen infiziert wurden, hätten zu keiner anderen Einschätzung geführt. Falls es aber doch zu einer Infektion von Säugetieren kommen sollte, solle das frühzeitig bemerkt werden.

Welche Ursachen zu Vogelgrippe-Wellen führten, sei noch weitgehend unklar, sagte Mettenleiter. Auch ein Vergleich zur H5N1-Pandemie von 2006/2007 führe nicht weiter. Damals wurde der Erreger im Februar bei tiefen Frosttemperaturen nachgewiesen. Im Jahr 2007 tauchte H5N1 im Sommer wieder auf. H5N8 wurde 2014 und 2016 im November in Deutschland bei milden Herbsttemperaturen nachgewiesen. Obwohl die Vogelgrippe seit Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder auftrat, ist eine der aktuellen Situation ähnliche Pandemie im Wildvogelbereich nach Angaben des FLI bislang nur 2006/2007 beobachtet worden.

Dies hänge nicht nur mit den heute zur Verfügung stehenden besseren Diagnosemöglichkeiten zusammen. "Der Infektionsdruck gegenüber den Wildvögeln hat sich im Vergleich zu früheren Jahrzehnten deutlich erhöht", sagte Mettenleiter. Die Zahl an gehaltenem Nutzgeflügel sei weltweit gestiegen. "Damit stehen mehr potenzielle Wirte für den Erreger zur Verfügung." Zudem gebe es in Asien eine enge Vergesellschaftung zwischen Nutzgeflügel und Wildvögeln, mit der Folge, dass die Wahrscheinlichkeit von Ansteckungen steige.

Weitere Infos

  • Das Vogelgrippe-Virus H5N8 kann in unterschiedlich gefährlicher Form auftreten. Ein hochpathogenes Influenzavirus H5N8 wurde nach Auskunft des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) erstmals Anfang 2014 in Südkorea bei Geflügel und Wildvögeln nachgewiesen. Dort habe es diverse Ausbrüche gegeben, mehrere Millionen Vögel seien sicherheitshalber getötet worden.

Seit November 2014 wurden solche H5N8-Viren in mehreren Geflügelbetrieben in Deutschland und anderen europäischen Ländern entdeckt. Infektionen von Menschen mit den Viren sind laut FLI bislang weltweit nicht nachgewiesen worden. Eine Ansteckung über infizierte Lebensmittel ist nach Auskunft des Bundesinstituts für Risikobewertung "theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich". H5N8-Viren waren schon früher entdeckt worden, etwa 1983 in Irland.

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