"Operation Olivenzweig" Türkei beginnt Offensive gegen kurdische YPG in Syrien

Istanbul/Kairo · Die "Operation Olivenzweig" hat begonnen: Die Türkei sieht die starke kurdische Präsenz in Nordsyrien schon lange als Gefahr. Doch der Angriff auf den US-Verbündeten ist risikoreich. Und könnte auch Auswirkungen auf anstehende Friedensgespräche haben.

 Aus der türkischen Grenzstadt Kilis sind Rauchwolken in Syrien zu sehen.

Aus der türkischen Grenzstadt Kilis sind Rauchwolken in Syrien zu sehen.

Foto: Lefteris Pitarakis

Die Türkei hat ungeachtet internationaler Besorgnis eine großangelegte Offensive gegen kurdische Truppen im Nordwesten Syriens begonnen.

Die vom Generalstab am Samstag verkündete "Operation Olivenzweig" zielt auf die mit den USA verbündeten kurdischen Volksschutzeinheiten YPG in der Enklave Afrin. Berlin und Moskau äußerten sich besorgt.

Kampfflugzeuge bombardierten übereinstimmenden Berichten zufolge Stellungen der YPG. Der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge drangen protürkische Rebellen auf kurdisches Gebiet vor. Dafür gab es zunächst aber keine Bestätigung.

Seit Beginn der Luftangriffe seien 108 von 113 Stellungen der YPG getroffen worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Dabei habe es auch Tote und Verletzte gegeben, die laut Anadolu alle der YPG angehörten. Die kurdische Nachrichtenagentur Firat berichtete, zehn Zivilisten seien verletzt worden, einige davon schwer.

Die YPG, die das Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) anführen, sind der syrische Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei. Die PKK ist in der Türkei, der EU und in den USA als Terrororganisation eingestuft. Ankara fühlt sich von einer starken kurdischen Präsenz an seiner Grenze bedroht.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan sprach am Samstag vom "faktischen" Beginn der Militäroperation. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die "heldenhaften Streitkräfte" hätten mit der Luftoffensive begonnen. Erdogan zufolge soll nach der Afrin-Offensive ein Angriff auf die Region um die Stadt Manbidsch folgen. Diese wird ebenfalls von einem Bündnis unter Führung der kurdischen Volksschutzeinheiten YPG kontrolliert.

Die SDF monierten die "unrechtmäßigen Drohungen" von türkischer Seite. Wenn man angegriffen würde, habe man keine andere Möglichkeit, als sich selbst zu verteidigen. Dies könnte nach kurdischer Darstellung negative Auswirkungen auf den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben.

Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von Luftangriffen von mindestens zehn türkischen Kampfflugzeugen in Afrin am Samstag. "Wir können Luftschläge in der Stadt Afrin hören", sagte Haivi Mustapha vom örtlichen kurdischen Exekutivrat der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe Verletzte.

Es war zunächst unklar, ob türkische Truppen die Grenze nach Syrien überschritten hatten. Dies könnte zu einer direkten Konfrontation mit russischen Truppen führen, die im Norden Syriens stationiert sind. Die Kurden kooperierten in der Vergangenheit auch mit Moskau.

Russland zog seine Truppen aus der Region um die Stadt Afrin ab. Man habe sich zu dem Schritt entschlossen, um die Sicherheit der russischen Soldaten zu gewährleisten, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Tass zufolge mit. "Wir beobachten die Entwicklung dieser Situation sehr genau", teilte das russische Außenministerium mit. Man fordere alle Seiten zur Zurückhaltung auf.

Das Auswärtige Amt in Berlin rief Kreisen zufolge ebenfalls zu Besonnenheit auf. "Wir sehen mit Sorge nach Nordsyrien", war am Samstag aus dem Auswärtigen Amt zu hören. Die aufgeheizte Rhetorik und auch der Beschuss über die Grenze, der allerdings nicht neu sei, seien nicht ermutigend.

Der scheidende Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hinterfragte die deutsche Haltung zur türkischen Regierung, nachdem Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in seiner Heimatstadt Goslar seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu empfangen hatte. "Während das Regime in Ankara den #ISIS Barbaren Unterschlupf gewährte, haben #Kurden für den Westen gekämpft. Jetzt lässt sie #Erdogan bombardieren. Gibts in #Goslar bald wieder eine #Teezeremonie für #Cavusoglu?", schrieb Özdemir auf Twitter.

Cavusoglu und US-Außenminister Rex Tillerson telefonierten am Samstag, wie die private Nachrichtenagentur Dogan berichtete. Der Inhalt des Gesprächs wurde nicht bekannt. Schon am Donnerstag soll es Gespräche zwischen türkischen und russischen Vertretern gegeben haben, um eine mögliche Offensive zu "koordinieren".

Die Vereinigten Staaten hatten vor einer türkischen Militäroffensive in Afrin gewarnt und die Türkei aufgerufen, "keinerlei Maßnahmen dieser Art zu ergreifen". Dennoch hielt Erdogan an den Plänen einer Bodenoffensive fest. Seit acht Tagen beschießen die türkischen Streitkräfte die Kurdenenklave mit Artilleriefeuer. Die USA haben die YPG im Kampf gegen die Terrormiliz IS mit Waffen ausgerüstet, was Ankara empört.

Die Eskalation könnte auch die Stimmung für die anstehenden syrischen Friedensgespräche in Sotschi trüben. Dort sind auch die Türkei und Russland als Schutzmächte der Rebellen auf der einen und der Regierung auf der anderen Seite vertreten.

Bereits 2016 marschierte die Türkei an der Seite von protürkischen Rebellen in den Norden Syriens ein. Damals war das Ziel offiziell die Vertreibung von Dschihadisten der Terrormiliz Islamischer Staat von der eigenen Grenze. Die Aktion traf jedoch auch kurdische Einheiten.

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