Report: Wenig Hoffnung auf dauerfhafte Waffenruhe

Tel Aviv/Gaza · Ganze Straßenzüge im Gazastreifen liegen in Schutt und Asche. Fast drei Wochen massiver israelischer Angriffe haben hier verheerende Spuren hinterlassen.

Einwohner des Palästinensergebiets stehen fassungslos vor den Trümmern ihrer Existenz. "Es sieht aus wie nach einem schweren Erdbeben", sagt der 38-jährige Salman Abu Ajwa am Sonntag. Während einer Feuerpause hat er die Überreste seines Hauses im Viertel Sadschaija im Osten von Gaza-Stadt begutachtet. "Alles in dem Viertel ist total zerstört." Sanitäter hätten vor seinen Augen die Leiche seines Nachbarn aus den Trümmern gezogen.

Die Zahl der Toten im Gaza-Krieg ist schon auf weit über 1000 gestiegen, doch ein Ende des Blutvergießens zeichnet sich nicht ab. Die internationalen Verhandlungen über eine dauerhafte Waffenruhe zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas gestalten sich extrem schwierig und verliefen bislang ohne Erfolg.

US-Außenminister John Kerry gerät mit seinen unermüdlichen Vermittlungsbemühungen derweil zwischen die Fronten. Israel und die gemäßigte Palästinenserführung von Präsident Mahmud Abbas seien aufgebracht über sein Verhalten, berichten israelische Medien am Sonntag übereinstimmend. Dem hochgewachsenen Diplomaten wird vorgeworfen, er habe sich den Positionen der Hamas-nahen Vermittler Katar und der Türkei zu stark angenähert, auf Kosten von Ägypten, Israel und der Autonomiebehörde.

Namentlich nicht genannte Minister beschreiben seinen jüngsten Waffenruhe-Vorschlag, den Israels Kabinett am Freitag einstimmig ablehnte, als "grotesk". Er habe dabei Israels Sicherheitsbedürfnisse außer Acht gelassen, werfen sie ihm vor.

Ein Kommentator der linksliberalen israelischen Zeitung "Haaretz" beschreibt Kerry, der schon mit den Friedensvermittlungen zwischen Israel und der Fatah von Abbas gescheitert war, höhnisch als "den Außerirdischen aus Washington, der mit seinem Raumschiff im Nahen Osten gelandet ist". Kerry habe eine Waffenruhe durch ungeschicktes Lavieren sogar torpediert.

Die an den Vermittlungsbemühungen beteiligten Parteien verhielten sich wie zusammenstoßende Autoscooter in einem Freizeitpark, sagt auch ein Kommentator des israelischen Rundfunks. "Es gibt einfach zu viele Akteure mit unterschiedlichen Interessen."

Israel ist zwar zu einer neuen Waffenruhe bereit, besteht jedoch darauf, dass seine Truppen solange im Gazastreifen bleiben können, bis die Tunnel der Hamas zerstört sind. Dies ist wiederum aus Sicht der Hamas inakzeptabel.

Der 26-jährige Chaled Salah, ein Hamas-Anhänger aus Gaza, sagt am Sonntag, nach all den Verlusten könne der Kampf doch nicht einfach aufhören. "Der bewaffnete Widerstand muss weitergehen, bis die Forderungen unseres Volkes erfüllt werden." Die Hauptforderung der Hamas ist eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens.

Die 28-jährige Hind Schaaban hat dagegen genug von dem blutigen Schlagabtausch. Israel sei den Palästinensern ohnehin hoffnungslos überlegen, erklärt sie. "Genug ist genug, ich finde, die militanten Kämpfer in Gaza sollten diplomatischer sein, ihre Forderungen einschränken und den Sieg erklären", sagt die Mutter dreier Kinder.

Mit jedem weiteren Kampftag wächst die internationale Kritik an Israel, die grausigen Bilder getöteter palästinensischer Zivilisten spielen dabei der Hamas in die Hände. Besonders rechtsorientierte israelische Minister üben jedoch starken Druck auf Regierungschef Benjamin Netanjahu aus, einer Waffenruhe noch nicht zuzustimmen.

Israel sieht die Tunnel im Gazastreifen als strategische Bedrohung seiner Sicherheit. Der Geheimdienst wirft der Hamas sogar vor, zum jüdischen Neujahrsfest im September einen "Mega-Anschlag" geplant zu haben. Demnach sollten in einer Kommando-Aktion Hunderte von Hamas-Kämpfern gleichzeitig durch die Tunnel nach Israel stürmen und in den Grenzorten soviel wie möglich Menschen töten oder entführen. Es ist schon die Rede von "Israels 9/11". Echte Beweise für dieses Horror-Szenario wurden allerdings bisher nicht vorgelegt.

Tatsache ist, dass Hamas-Kämpfer schon mehrere Anschläge durch die Tunnel verübt haben. Deshalb will das Militär dringend mehr Zeit, um dem "Prestigeprojekt" der Hamas möglichst viel Schaden zuzufügen. "Je länger wir bleiben, desto mehr Tunnel werden wir finden", sagte Oberst Atai Schelach am Sonntag. Er ist aber auch realistisch. "Wir werden nicht alle finden. Und in dem Moment, in dem wir wieder abziehen, werden sie wieder anfangen zu graben."

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