Report: Steinmeier und Lawrow buhlen um Peking

Peking · Von Peking nach Moskau sind es Luftlinie 5800 Kilometer, nach Kiew 6400 und nach Berlin sogar 7500. Trotzdem gehört Chinas Hauptstadt im Ukraine-Konflikt zu den Schauplätzen, auf die es in diesen Tagen ankommt.

 Russlands Außenminister Lawrow spricht in Moskau. Foto: Yuri Kochetkov

Russlands Außenminister Lawrow spricht in Moskau. Foto: Yuri Kochetkov

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Man erkennt das gut daran, wer hier gerade zu Gast ist: Am Montag war Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu Besuch, am Dienstag kommt der russische Kollege Sergej Lawrow. Fast hätten sie sich am Flughafen die Hand reichen können.

Der Grund: Vor dem Ukraine-Krisentreffen am Donnerstag in Genf, wo sich die wichtigsten Beteiligten (Russland, Ukraine, USA und Europäische Union) erstmals an einen Tisch setzen wollen, hätte jeder gern China an seiner Seite. Die Volksrepublik verfolge seit Beginn der Krise aber gewissermaßen einen "Schlingerkurs", ohne sich eindeutig festzulegen, sagen Experten.

Auch Steinmeier gelang es trotz freundlicher Töne ("Wir haben einen großen Bedarf, uns in Fragen der internationalen Beziehungen enger abzustimmen.") nicht, in Peking eine klare Antwort zu bekommen. Kollege Wang Yi stellte zwar in höchsten Tönen Berlins Sonderrolle als wichtigster Partner in Europa heraus. Was die Ukraine angeht, verfiel er aber ins Parteichinesisch: "China nimmt eine objektive, gerechte und auch verantwortungsbewusste Haltung ein."

Steinmeiers Leute nannten dies später "Äquidistanz" - also: gleichen Abstand halten. Wang unterstützt aber die Bemühungen zur schnellen Einrichtung einer internationalen Ukraine-Kontaktgruppe, für die Deutschland die Urheberschaft geltend macht - das Vierertreffen in Genf könnte dafür der Auftakt sein. "Wir wünschen ihm viel Erfolg", zitierten ihn die Staatsmedien, während Steinmeier nach einem Treffen mit Regierungschef Li Keqiang wieder auf dem Weg zum Flughafen war.

Der Beschluss, Distanz zu wahren, hat verschiedene Gründe. Während mit Russland eine strategische Partnerschaft als Gegengewicht zur Supermacht USA gepflegt wird, unterhielt China auch immer gute Beziehungen zur Ukraine. Am liebsten wäre es Peking heute, wenn die Ukraine weder nach Westen noch nach Osten driften würde, sondern eine Position irgendwo dazwischen einnehmen könnte. Unantastbar ist für China auch das Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder - gegen das Russland auf der Krim verstoßen hat.

Die speziell deutsche Sicht der Krise wird in Peking mit großem Interesse verfolgt. In Peking, so heißt es unter Kennern, ist der Eindruck entstanden, dass die russischen Freunde nur eine höchst "einseitige Version" der Entwicklung schildern. Mit der Eskalation in der Ostukraine drohen jetzt Chinas Befürchtungen wahr zu werden, dass Russland vielleicht doch noch eine Invasion erwägen könnte.

Mit dem bisherigen Herumlavieren entstand bei einigen auch der Eindruck, dass Peking die russische Position unterschwellig unterstützt. Doch Li Ziguo, Vizedirektor des chinesischen Instituts für Internationale Studien in Peking, widerspricht: "China hat keine der Aktionen Russlands unterstützt." Auch habe die Regierung "niemals offiziell anerkannt", dass die Krim jetzt zu Russland gehöre.

Und im UN-Sicherheitsrat blieb die Vetomacht China in Sachen Ukraine bei ihrer Enthaltung, was Russland erheblich ärgert. Li Ziguo meint: "China wird sich nicht auf die eine oder andere Seite schlagen, sondern seine eigene Politik verfolgen." Es sei ein internes Problem der Ukraine, das auch dort gelöst werden müsse.

"Ich werde sehr intensiv mit Lawrow über die Ukraine beraten - und China wird seinen Beitrag zur Lösung leisten", sagte Wang ausweichend auf die Frage, wie er auf Russland einwirken wolle. Offen will sich China nicht gegen seine russischen Freunde stellen, will aber eine Eskalation vermeiden. Kühl reagierte Peking schon auf den russischen Wunsch, die Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO), in der neben Russland und China auch Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan sitzen, zu einer Erklärung zur Krim zu bewegen. "Es ist an China gescheitert", hieß es in Delegationskreisen.

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