Report: Salafisten, Kurden, Hooligans - ein Überblick

Berlin · In Syrien und im Irak eskaliert die Gewalt. Das strahlt auch auf Deutschland aus. Dabei bilden sich teils undurchsichtige Koalitionen.

Ausschreitungen zwischen Kurden und Salafisten in Hamburg. Foto: Markus Scholz/Archiv

Ausschreitungen zwischen Kurden und Salafisten in Hamburg. Foto: Markus Scholz/Archiv

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Kurden gegen Salafisten, Jesiden gegen Tschetschenen, Rechtsextreme und Rocker gegen Islamisten - der Konflikt im Irak und in Syrien spiegelt sich mehr und mehr auch in deutschen Städten. Selbst gewaltbereite Fußballfans mischen mit.

Verschiedene Gruppen kämpfen nach Ansicht des Nahost-Experten Ferhad Ibrahim Seyder von der Freien Universität Berlin Stellvertreterkriege in Deutschland. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft rechnet mit einer weiteren Eskalation der Konflikte. "Das wird zunehmen", warnt Rainer Wendt. Ein Überblick über die Gemengelage und beteiligte Gruppen:

KURDEN: Die in Deutschland lebenden Kurden nehmen starken Anteil am Schicksal der von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bedrohten Menschen in Syrien. Besonders seit den Kämpfen in der Grenzstadt Kobane demonstrieren sie in Deutschland immer wieder gegen die Islamisten - mehr als 20 000 allein in Düsseldorf am 11. Oktober. Immer wieder werden auf den Demos auch Slogans gegen die Türkei gerufen. In Düsseldorf demonstrierten zum Beispiel auch Vereine aus dem Umkreis der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Etwa 13 000 der hier ansässigen Kurden gelten als Anhänger der PKK.

ISLAMISTEN: Den Kurden stellen sich bei Demos immer wieder radikale Muslime entgegen. Einige davon dürften in dem Konflikt mit IS sympathisieren, andere lehnen lediglich die Ideologie der meist eher säkular orientierten kurdischen Gruppen ab. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und mutmaßlich salafistischen Muslimen nahe einer Hamburger Moschee wurden vor drei Wochen 14 Menschen teilweise schwer verletzt. Beide Parteien waren laut Polizei mit Metallstangen, Macheten und Messern bewaffnet. Rund 6200 Menschen gehören laut Verfassungsschutz zur Salafisten-Szene in Deutschland.

JESIDEN: Die Jesiden sind ebenfalls ethnische Kurden. Zwischen 50 000 und 90 000 Anhänger der religiösen Minderheit leben hierzulande, überwiegend in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Im August forderten zum Beispiel Tausende Jesiden zusammen mit irakischstämmigen Christen in Bielefeld ein rasches Eingreifen gegen die IS-Verbrechen im Nordirak. "Sie sind in ihrer Existenz bedroht", sagt Nahost-Experte Seyder. "Wenn die Jugend hört, was in der Heimat passiert, dann gehen sie auf die Straße und werden von Tschetschenen oder Türken angegriffen", sagt Seyder. "So kommt es zu einem kleinen Bürgerkrieg in diesem Land." Die Jesiden gehen seiner Ansicht nach seit einiger Zeit auf Distanz zu den Kurden, weil sie sich von den Kurden im Irak verlassen fühlen.

TSCHETSCHENEN: Radikale Muslime aus Tschetschenien kämpfen in den Reihen der IS-Miliz als Dschihadisten. Unter den in Deutschland lebenden Tschetschenen sind ebenfalls einige Islamisten. In Herford griffen Anfang August mehrere Tschetschenen demonstrierende Jesiden an. Kurden hielten einige Tschetschenen in Celle wiederum vor rund drei Wochen wegen ihrer langen Bärte für Salafisten - daraufhin gingen Hunderte Beteiligte mit Knüppeln, Steinen und Flaschen aufeinander los.

HOOLIGANS: Gewaltbereite Fußballfans standen nach Einschätzung von Verfassungsschützern als treibende Kraft hinter den Kölner Krawallen. Die Anhänger sonst teils verfeindeter Vereine bildeten dabei eine geschlossene Front. "Die haben sich zu einer temporären Gemeinschaft zusammengeschlossen, um sich dem Kampf gegen die Salafisten zu verschreiben", meint Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Auch Anhänger der Rockerszene hätten sich an den Straßenschlachten beteiligt. Damit wollten sowohl Hooligans als auch Rocker "aus der gesellschaftlichen Isolation rauskommen" und die eigene Anhängerschaft mobilisieren. "Die meisten sind aber nur auf Krawall gebürstet und alkoholisiert", sagt Wendt.

RECHTSEXTREME: Die rechte Szene mischt mit bei islamfeindlichen Kundgebungen wie in Köln - wobei personelle Überschneidungen mit Rockern und Hooligans häufig sind. "Das ist eine unselige Melange aus drei Gruppen, die teils aus den gleichen Personen bestehen", sagt Wendt. Die vom Verfassungsschutz beobachtete Anti-Islam-Partei Pro NRW habe die Kundgebung zunächst angemeldet, sich dann aber von den Ausschreitungen distanziert. "Sie wollten sich an die Spitze stellen und sind gescheitert", sagt Wendt.

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