Phänomen AfD: Preußische Tugenden im breiten Meinungskorridor

Berlin · Die AfD oszilliert quer durch das klassische Links-Rechts-Schema. Deshalb ist es für die etablierten Volksparteien auch so schwer, sie zu bekämpfen. Und die Neulinge gefallen sich in der Rolle des Störenfrieds.

 Björn Höcke, der Thüringer AfD-Spitzenkandidat. Foto: Hendrik Schmidt

Björn Höcke, der Thüringer AfD-Spitzenkandidat. Foto: Hendrik Schmidt

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Die Landtagswahlen im Osten haben gezeigt, dass die Alternative für Deutschland die Unzufriedenen da abholt, wo sie gerade stehen - egal ob links, rechts oder im Lager der Nichtwähler.

Was die Newcomer für die etablierten Parteien so gefährlich macht, ist vielleicht gar nicht so sehr die Auswahl der Themen, bei denen es zum Teil große Überschneidungen mit den etablierten Parteien geht. Punkten kann die konservative AfD eher mit einer klaren Sprache und mit Lösungsvorschlägen, die verlockend einfach klingen.

Denn der klassische AfD-Anhänger ist - das zeigen die jüngsten Umfragen - kein Freund komplexer politischer Debatten. Er ist eher jung, oft männlich, hat Abitur oder Mittlere Reife und möchte eine Familie gründen. Begriffe wie "Inklusion" oder "Besetzungswirksamkeit", die im Berliner Polit-Sprech dominieren, irritieren ihn.

"Die Leute sind es leid, dass ihnen Begriffe vorgegeben werden, mit denen sie nichts anfangen können", sagt Alexander Gauland (73), der als Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg mit 12,2 Prozent das bisher beste Wahlergebnis für seine Partei geholt hat.

Eine dieser Berliner Wortblasen, über die sich die typischen AfD-Wähler aufregen, ist laut Gauland die "Willkommenskultur" - ein Begriff, der Aufgeschlossenheit gegenüber Migranten signalisieren soll. Die AfD setzt altmodische Begriffe dagegen - zum Beispiel "preußische Tugenden", für die ihr Thüringer Spitzenmann Björn Höcke (41) wirbt.

Keine Denkverbote, keine Schönfärberei und ein "breiter Meinungskorridor" (O-Ton Gauland), mit diesem Politikstil ist die AfD binnen weniger Monate zu einer beachtlichen Konkurrenz für CDU, SPD und nicht zuletzt auch für die sieche FDP herangewachsen. Nur den Grünen hat die blau-weiß-rote Neupartei kaum Wähler abgejagt. In diesem "Korridor" finden DDR-Nostalgiker nach Aussage von Parteichef Bernd Lucke genauso Platz wie die biedere schwäbische Hausfrau und der wirtschaftsliberale Hamburger Kaufmann.

Rainer Erkens (57) gehört zur Gruppe der ehemaligen FDP-ler in der AfD. "Koordinator Strategie Planung Kampagnen" steht auf seiner Visitenkarte. Als ehemaliger Projektleiter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung bringt er Managementqualitäten mit, die manchem Polit-Neuling in der Partei noch fehlen.

"Diese Partei ist wie ein kleines Start-up-Unternehmen - und für mich wie ein Jungbrunnen", sagt Erkens und strahlt. Schon eine Woche vor den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg hat er sich mit einer kleinen Gruppe von Parteifreunden hingesetzt, um eine Strategie für den Wahlkampf in Hamburg und Bremen zu erarbeiten. Drei Kernthemen hat er dafür bereits identifiziert: "Bildung, Familie und Ausländerkriminalität". Wirklich neu ist das nicht.

Gerade beim Thema Zuwanderung und Asyl weiß die Parteispitze, dass sie aufpassen muss, dass sie ihre Wähler nicht enttäuscht. Denn sowohl die Frage, welche Ausländer sich in Deutschland niederlassen können, als auch die Probleme, die sich aus dem verstärkten Zustrom von Flüchtlingen ergeben, sind Themen, zu denen in den Länderparlamenten nicht viel entschieden wird. Und bis zur Bundestagswahl ist es noch drei Jahre hin.

Die AfD glaubt zwar, dass ihr die Volksparteien CDU und SPD bisher mehr genutzt als geschadet haben, indem sie sich gegen jeden Dialog mit ihr sperren. Auf Dauer ist es jedoch vielleicht ungünstig, wenn der Wähler weiß, dass er mit einem Kreuz bei der AfD automatisch die Opposition wählt. "Die CDU ist keineswegs unser natürlicher Partner, insbesondere mit den Sozialdemokraten kann ich mir persönlich eine Zusammenarbeit vorstellen", sagt Parteichef Bernd Lucke.

Doch das beruht nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit. Auf das gute Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen angesprochen, fallen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi im n-tv-Interview am Tag nach der Wahl unter anderem die Begriffe "spießbürgerlich" und "braune Suppe" ein.

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