Neue Milliardenhilfen für Athen - Berlin streitet

Brüssel/Athen/Berlin · Atempause für Griechenland: Die internationalen Geldgeber haben sich nach wochenlangem Streit auf die Auszahlung neuer Milliardenkredite verständigt.

 Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat wieder etwas Zeit im Kampf gegen die Schuldenlast gewonnen. Foto: Julien Warnand

Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat wieder etwas Zeit im Kampf gegen die Schuldenlast gewonnen. Foto: Julien Warnand

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Zudem wollen die Eurostaaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) dem pleitebedrohten Land mit einem Maßnahmenbündel helfen, um langfristig die Schuldenlast zu drücken. In Deutschland könnte die notwendige Entscheidung im Bundestag zur Zitterpartie werden.

Die schwarz-gelbe Koalition will schon in dieser Woche über das erweiterte Rettungspaket entscheiden. SPD und Grüne stehen zwar im Prinzip hinter dem Rettungskurs. Die Opposition will sich aber nicht unter Zeitdruck setzen lassen.

Nach den Worten des designierten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück sind die Konsequenzen für den Bundeshaushalt völlig unklar. Deshalb sei es für die Opposition "absolut unzumutbar", über die Presse mitgeteilt zu bekommen, wann der Bundestag entscheiden solle, sagte er am Rande einer Fraktionssitzung in Berlin.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schloss in der Fraktion nach Angaben von Teilnehmern auch ein Nein nicht aus, falls die Koalition auf ihren Zeitplan beharre. Sollten SPD und Grüne dagegen stimmen, wäre die Koalition auf ihre eigene Mehrheit angewiesen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte klar, dass die jüngsten Beschlüsse den Bundeshaushalt 2013 in dreistelliger Millionenhöhe belasten. Seinen Angaben zufolge laufen sie darauf hinaus, dass Deutschland auf Erträge aus dem Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank in Höhe von 599 Millionen Euro verzichten muss. Daneben dürften rund 130 Millionen Euro Zinseinnahmen wegfallen, weil die Kreditzinsen für Athen gesenkt werden sollen.

Die Geldgeber Athens hatten sich in der Nacht auf die Auszahlung der Kredite an Griechenland verständigt. Grundsätzlich waren sie einig, fast 44 Milliarden Euro freizugeben. Davon sollen 34,4 Milliarden Euro noch 2012 fließen, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Zudem vereinbarten sie Schritte wie ein Schuldenrückkaufprogramm, Zinserleichterungen oder längere Darlehenslaufzeiten, um langfristig die Schuldenlast zu drücken.

Die Entscheidung in Brüssel fiel am frühen Dienstagmorgen nach zwölfstündigen Verhandlungen. EZB-Präsident Mario Draghi resümierte: "Die Vereinbarung wird die Unsicherheit vermindern und das Vertrauen in Europa und Griechenland stärken." Die Finanzmärkte reagierten positiv. Der Euro sprang zeitweise über 1,30 US-Dollar.

Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras zeigte sich in Athen erleichtert: "Alles ist gut gegangen. Wir haben zusammen dafür gekämpft. Morgen bricht für alle Griechen ein neuer Tag an."

Griechenland hatte mit Reformen und einem neuen Sparprogramm den Weg für grünes Licht der Geldgeber geebnet. "Die griechischen Behörden haben sich dem (Hilfs-)Programm sehr verpflichtet", erklärte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

Auch der IWF machte Zugeständnisse. Dessen Chefin Christine Lagarde stimmte zu, Athen bei der Schuldensenkung mehr Zeit zu geben. Bis zum Jahr 2020 muss der Schuldenberg auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken, bisher galt der Richtwert von 120 Prozent. "Ich denke, dass man eine Vereinbarung gefunden hat, die mir befriedigend für Griechenland erscheint", bilanzierte Lagarde.

Schäuble hob hervor, ein Schuldenschnitt sei nicht vereinbart worden. Deutschland und andere Eurostaaten lehnen einen solchen Schritt kategorisch ab.

Die SPD rechnet trotzdem damit 2014. Schäuble brüste sich damit, dass der Schuldenschnitt vermieden worden sei, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. "Ich sage Ihnen: Der Schuldenschnitt ist nicht vermieden, er ist verschoben worden auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl."

Der Zeitplan für die weiteren Griechenland-Entscheidungen ist eng. Die Eurogruppe will am 13. Dezember endgültig die Auszahlung entscheiden. Ein Restbetrag von 9,3 Milliarden Euro soll Anfang 2013 in drei Tranchen fließen, so Athen Bedingungen erfüllt.

Zinsen für die Kredite des Krisenfonds EFSF sollen über 2020 hinaus gestundet werden. "Das bedeutet, dass die Tilgungslasten für Griechenland in den Jahren dann deutlich geringer sind", sagte Schäuble.

Rettungsfonds-Chef Klaus Regling bezifferte den Effekt aus der Stundung auf 44 Milliarden Euro. Zusätzliches Geld musste gefunden werden, weil die Geldgeber der Regierung in Athen zwei zusätzliche Jahre - also bis 2016 - zum Sparen einräumen. Rund 32 Milliarden Euro fehlen deshalb.

Ein Urteil aus Luxemburg gab der Euro-Rettung neuen Auftrieb: Der Europäische Gerichtshof wies Einwände eines irischen Kritikers zum neuen europäischen Rettungsschirm ESM ab. Der ESM stehe mit dem Haftungsverbot in Einklang, wonach ein Staat nicht für Verbindlichkeiten eines anderen gerade stehen darf, urteilte das höchste Gericht der EU.

Gute Nachrichten kamen auch aus Portugal. Ungeachtet neuer Proteste verabschiedete das Parlament in Lissabon den umstrittenen Sparetat für 2013.

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