Nach Absturz: Suche nach Flugschreiber und Motiv

Paris/Düsseldorf · Sechs Tage nach dem Absturz eines Germanwings-Flugzeugs in Frankreich rätseln Hinterbliebene und Öffentlichkeit weiter über die Hintergründe. Die Ermittler machten den Copiloten für die Katastrophe mit 150 Toten verantwortlich.

 Kerzen werden für die Opfer angezündet. Foto: Daniel Naupold

Kerzen werden für die Opfer angezündet. Foto: Daniel Naupold

Foto: DPA

Doch weder über mögliche Motive des 27-Jährigen noch über die Art seiner akuten Erkrankung wollten sich die Behörden bis zum Sonntag äußern. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte am Freitag lediglich erklärt, man habe in der Wohnung des Mannes "zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen" gefunden.

ERKENNTNISSE: Nach bisherigen Ermittlungen soll der Copilot den Airbus A320 am Dienstag auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf mutwillig in einen Sinkflug versetzt haben, als der Kapitän das Cockpit kurz verließ. Die französische Staatsanwaltschaft schloss aus den Aufzeichnungen des rasch gefundenen Sprachrekorders, dass der 27-Jährige den Piloten aus dem Cockpit aussperrte. Minuten später zerschellte die Maschine an einem Bergmassiv nordöstlich von Marseille. Genauere Erkenntnisse über das Geschehen im Flugzeug vor dem Absturz erhoffen sich die Experten vor allem vom zweiten Flugschreiber, der immer noch am Absturzort gesucht wird.

TECHNIK: Französische Ermittler untersuchen auch die Möglichkeit eines technischen Defekts der Germanwings-Maschine. "Derzeit kann die Hypothese eines technischen Fehlers nicht ausgeschlossen werden", sagte der Chef der in Düsseldorf eingesetzten französischen Ermittler, Jean-Pierre Michel, am Samstag dem Sender BFMTV. Die Ermittlungen gingen voran, es fehlten aber noch "technische Details".

OPFER: In dem schwer zugänglichen Gebiet sichern Bergungskräfte die sterblichen Überreste der 150 Opfer des Absturzes. Mediziner arbeiten an der Identifizierung derer, die schon ins Tal gebracht wurden.

KONSEQUENZEN: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will mit Fluggesellschaften und Aufsichtsbehörden über mögliche Konsequenzen aus dem Germanwings-Absturz in Frankreich beraten. "In der Luftfahrt gelten hohe Sicherheitsstandards, die aber auch immer wieder einer Weiterentwicklung bedürfen", sagte Dobrindt der "Bild am Sonntag". "Erst der Blick auf die Gesamtumstände des Unglücks wird Aufklärung über weitere notwendige Konsequenzen geben können. Wir stehen deswegen auch mit den Airlines und den beteiligten Organisationen in intensivem Kontakt."

ERKRANKUNG: Der Copilot verheimlichte nach Erkenntnissen der Ermittler vor seinem Arbeitgeber Germanwings eine Erkrankung. Die Fahnder, die in der Wohnung des 27-Jährigen dessen Krankschreibungen fanden, hatten aber nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden gesucht. Sie fanden weder einen Abschiedsbrief noch ein Bekennerschreiben. Für Berichte, wonach der Copilot und starken psychischen Problemen und auch Sehstörungen gelitten haben soll, war bis Sonntagmorgen keine Bestätigung der Behörden zu erhalten.

PERSONALAKTE: Das Luftfahrtbundesamt überprüfte nach Angaben seines Sprechers die Personalakte des Copiloten. "Wir haben Einsicht in die Unterlagen genommen und die Erkenntnisse mündlich an die Staatsanwaltschaft gegeben", sagte Holger Kasperski der Deutschen Presse-Agentur. "Mehr gibt es dazu aktuell nicht zu sagen." Sonst seien die Ermittlungen gefährdet. Auch einen sogenannten SIC-Eintrag in der Personalakte wollte Kefer nicht bestätigen. Ein solcher Eintrag steht für besondere regelhafte medizinische Untersuchungen.

ORTSKENNTNIS: Die Eltern des Germanwings-Copiloten kamen zwischen 1996 und 2003 mit ihrem Segelflugclub aus Montabaur zum Fliegen in französischen Alpen, wie Francis Kefer vom Flugfeld in Sisteron dem französische Sender iTele sagte. Die Eltern seien mit ihrem Sohn gekommen, der damals Heranwachsender war. Sisteron liegt gut 40 Kilometer westlich der Absturzstelle. Er selbst habe die Familie dort nie getroffen, doch deren Aufenthalte seien im Club allgemein bekannt, sagte Kefer der dpa.

TRAUER: Am 17. April soll im Kölner Dom mit einem Gottesdienst und einem staatlichen Trauerakt der Opfer gedacht werden. Erwartet werden dazu neben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vertreter aus Frankreich, Spanien und anderen Ländern, aus denen die Opfer der Flugkatastrophe stammten. Im westfälischen Haltern, wo um 16 Schüler und zwei Lehrerinnen getrauert wird, soll es am Mittwoch (1. April) einen öffentlichen Gottesdienst geben. Auch am Samstag versammelten sich Menschen in Kirchen in Deutschland und Frankreich, um der Toten zu gedenken.

SOFORTHILFE: Eine Lufthansa-Sprecherin bestätigte einen Bericht des "Tagesspiegels", wonach der Konzern den Angehörigen der Opfer eine Soforthilfe zahlen will. "Lufthansa zahlt bis zu 50 000 Euro pro Passagier zur Deckung unmittelbarer Ausgaben", zitierte die Zeitung einen Germanwings-Sprecher. In großen Tageszeitungen bekundeten die Lufthansa und ihre Tochter Germanwings den Hinterbliebenen der Absturzopfer ihre Anteilnahme mit ganzseitigen Anzeigen.

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