Plan B heißt Plan A May will erneut über Irland-Frage verhandeln

London/Brüssel · Die krachende Niederlage im Parlament für ihren Brexit-Deal hat die britische Premierministerin Theresa May nicht zum Umdenken bewegt. Brüssel soll ihr aus der Patsche helfen, fordert May. Glaubt sie das wirklich oder ist es nur Taktik im innenpolitischen Polit-Drama?

 Theresa May während ihrer Erklärung zu ihrem neuen Brexit-Antrag im Unterhaus.

Theresa May während ihrer Erklärung zu ihrem neuen Brexit-Antrag im Unterhaus.

Foto: House Of Commons/PA Wire

Wer gehofft hatte, die britische Premierministerin Theresa May würde am Montag bei der Vorstellung ihres Plan B zum Brexit-Deal etwas Neues vorschlagen, wurde bitter enttäuscht.

Beinahe als hätte es die krachende Niederlage ihres mit Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommens nie gegeben, trat May vor die Abgeordneten.

Zwar hob May an, es habe sich etwas ändern müssen am Ansatz der Regierung, doch wie ernst sie dabei von den Abgeordneten genommen wurde, zeigte die Reaktion auf ihr Resümee zu Gesprächen mit der Opposition in der vergangenen Woche. "Die Regierung ist mit einem konstruktiven Geist in diese Gespräche gegangen, ohne Vorbedingungen", sagte May. Schallendes Gelächter.

May ist weiterhin nicht bereit, von ihren roten Linien abzuweichen. Erneut lehnte sie es ab, einen Brexit ohne Abkommen auszuschließen, wie es die Opposition und einige ihrer EU-freundlichen Abgeordneten fordern. Das sei unmöglich, ohne die Austrittserklärung zurückzuziehen, sagte May, und das wiederum wäre eine Missachtung des Wählerwillens, der im Brexit-Referendum 2016 zum Ausdruck gekommen sei.

In Wirklichkeit, so mutmaßen britische Kommentatoren, will May den No-Deal-Brexit mit seinen drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche nicht als Druckmittel verlieren. Sie hofft wohl darauf, die EU-Befürworter in ihrer Partei und auch einige Oppositionsabgeordnete doch noch auf ihre Seite ziehen zu können, wenn der Sturz in den No-Deal-Abgrund am 29. März 2019 nur nahe genug heranrückt.

May kündigte stattdessen an, sie wolle nun Gespräche mit den Brexit-Hardlinern im Parlament und mit der nordirischen DUP führen. Diese beiden eint die Ablehnung gegen die im Brexit-Abkommen festgelegte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland, der sogenannte Backstop. Das Ergebnis dieser Gespräche wolle sie der EU vorlegen, so May.

Der Backstop sieht vor, dass Großbritannien als Ganzes solange in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung für eine offene Grenze gefunden wird. Kritiker im Parlament fürchten, dass das Land so dauerhaft eng an die EU gebunden werden könnte. Grenzkontrollen auf der irischen Insel wollen alle Seiten vermeiden, um ein Wiederaufflammen des blutigen Konflikts dort zu verhindern.

Doch auf offene Ohren dürfte May mit ihren Forderungen in Brüssel kaum stoßen, trotz eines Vorstoßes des polnischen Außenministers, der vorschlug, den Backstop auf fünf Jahre zu begrenzen. Aus Dublin und Berlin kam schnell unisono Widerspruch. Davon halte man nichts. Monatelang hatte man bei den Brexit-Verhandlungen über das Problem gebrütet.

May legte gleichzeitig mit ihrer Erklärung einen Beschlussantrag vor, über den am 29. Januar abgestimmt werden soll. Bis dahin wird mit einer ganzen Reihe von Änderungsanträgen der Opposition gerechnet. Die kommenden Tage dürften von einem Machtkampf zwischen Parlament und Regierung geprägt werden.

Beobachter mutmaßen bereits, dass May versuchen wird, das Votum am 29. Januar zu einer Abstimmung über den Backstop werden zu lassen. Würde eine große Zahl, wenn auch keine Mehrheit der Abgeordneten, für eine zeitliche Begrenzung stimmen, könnte sie vielleicht doch noch auf ein Einlenken in Brüssel hoffen, so möglicherweise das Kalkül der Premierministerin.

Eine andere Vermutung ist, dass May die EU-freundlichen Abgeordneten dazu reizen will, den No-Deal-Brexit vom Tisch zu nehmen. Wenn der Regierung vom Parlament die Hände gebunden werden, könne sie einer Revolte der Brexit-Hardliner im eigenen Lager entgehen und trotzdem auf einen weicheren Brexit zusteuern.

Doch am Ende könnte es auch sein, dass May nur wieder auf Zeit spielt. Je näher der Austritt am 29. März rückt, ohne dass es eine echte Alternative zu ihrem Deal gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass er doch noch angenommen wird.

Verschiedene Gruppe von EU-freundlichen Abgeordneten im Parlament haben angekündigt, der Regierung teilweise die Kontrolle über den weiteren Prozess entreißen zu wollen. In dieser Woche wird mit einer ganzen Reihe von Änderungsanträgen zur Plan-B-Beschlussvorlage für die Abstimmung am 29. Januar gerechnet.

Ein Gruppe um die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper will einen Brexit ohne Abkommen gegen den Widerstand der Regierung ausschließen. Ihr Antrag sieht vor, die Regierung zum Verschieben des Brexit-Datums zu zwingen, sollte sich ein No-Deal-Brexit abzeichnen.

Der konservative Abgeordneten Dominic Grieve will der Regierung für einen Tag die Kontrolle über die Tagesordnung des Parlaments entreißen. Er will damit eine Reihe von Abstimmungen über verschiedene Alternativen zum Brexit-Abkommen der Premierministerin erzwingen.

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