Machtwechsel in Thüringen rückt näher

Erfurt · Die Linke in Thüringen hat den Weg für ihren ersten Ministerpräsidenten mit großen Zugeständnissen an SPD und Grüne freigemacht. Die Partei von Bodo Ramelow bekommt nur drei der acht Fachministerien, obwohl sie bei der Landtagswahl auf zehn Prozentpunkte mehr kam als SPD und Grüne zusammen.

 Die Parteivorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, Grünen-Chef Dieter Lauinger und SPD-Chef Andreas Bausewein (v.l.) stellen den Thüringer Koalitionsvertrag vor. Foto: Martin Schutt

Die Parteivorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, Grünen-Chef Dieter Lauinger und SPD-Chef Andreas Bausewein (v.l.) stellen den Thüringer Koalitionsvertrag vor. Foto: Martin Schutt

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Zudem stellt sie in dem rot-rot-grünen Bündnis den Chef der Staatskanzlei. "Wir haben auf Augenhöhe verhandelt", sagte Linken-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages in Erfurt. Die Koalition trage die Handschrift aller drei Parteien.

Das Dreierbündnis ist bundesweit umstritten. Mit der Einigung von Erfurt könnte die Linkspartei 25 Jahre nach dem Fall der Mauer erstmals den Ministerpräsidenten in einem Bundesland stellen. Die CDU würde erstmals seit der Wiedervereinigung in die Opposition geschickt. Die Ablösung von CDU-Regierungschefin Christine Lieberknecht rücke näher, frohlockten die Koalitionäre in Erfurt.

Trotz nur einer Stimme Mehrheit im Parlament wollen die Parteien im Freistaat größere Reformen anstoßen. "Rot-Rot-Grün wird nicht alles anders machen, aber vieles besser", sagte Hennig-Wellsow. Die Dreierkoalition verstehe sich als Reformbündnis. Dazu gehören neben einer Gebietsreform mit weniger Kreisen auch einige kostspielige Projekte. Die CDU kritisierte die Vorhaben als nicht finanzierbar.

Trotzdem will Rot-Rot-Grün nur Haushalte mit einer schwarzen Null zulassen. "Wir sind uns einig, dass es mit Rot-Rot-Grün keine neuen Schulden geben wird", sagte SPD-Landeschef Andreas Bausewein. Einige der teuren Vorhaben könnten deshalb auch erst später umgesetzt werden: "Es ist uns auch klar, dass nicht alles, was wir uns vorgenommen haben, sofort umsetzbar sein wird", erklärte Grünen-Chef Dieter Lauinger. So solle ein beitragsfreies Kita-Jahr frühestens im Herbst 2016 eingeführt werden.

Als Konsequenz aus dem Versagen der Thüringer Ermittlungsbehörden bei der Suche nach dem aus Jena stammenden rechten Terrortrio NSU soll der Verfassungsschutz erneut reformiert werden. V-Leute dürfen nur noch in Einzelfällen eingesetzt werden. Zudem erkennt Rot-Rot-Grün in der Präambel zum Vertrag DDR-Unrecht an. Dies war nach Angaben Lauingers eine Voraussetzung für die Grünen, in die Koalition einzutreten.

Der Koalitionsvertrag muss nun durch Mitgliederbefragungen der Linken und der Grünen bestätigt werden. Vor der Ministerpräsidentenwahl am 5. Dezember sind zudem noch Parteitage aller drei Bündnispartner geplant.

Die Linke-Bundesvorsitzende Katja Kipping sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Rot-Rot-Grün wird Thüringen modernisieren. Es geht um sozialen Zusammenhalt, wirtschaftlichen Erfolg und ökologischen Umbau. Wenn es gut läuft, hat das Signalwirkung."

Die Thüringer Christdemokraten reagierten mit harscher Kritik auf die Pläne der Koalitionspartner: "Sie sind verliebt ins Verteilen und schmallippig bei allen Fragen, die das Erwirtschaften betreffen", erklärte Generalsekretär Mario Voigt. Die zu teuren und "unerfüllbaren Versprechungen" stellten eine Gefahr für die Fundamente Thüringens dar.

Abwartend zeigte sich die Wirtschaft im Freistaat, äußerte aber Vorbehalte gegenüber dem Vorhaben eines öffentlichen Beschäftigungssektors. Das Projekt soll vor allem Langzeitarbeitslosen eine staatlich geförderte Arbeit mit ausreichendem Einkommen ermöglichen. Der Verband moniert: "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass derartige Maßnahmen keine nachhaltige Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt bewirken."

Rundweg erfreut sind die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF. Sie lobten unter anderem den geplanten natürlichen Hochwasserschutz mit zusätzlichen überflutbaren Flächen sowie die Bündelung von Natur- und Klimaschutz mit der Energiepolitik im Umweltministerium.

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