Ausschuss macht Weg frei Entscheidung zu Ehe für alle am Freitag

Berlin · Nach jahrelangem Gezerre um die Ehe für alle geht es nun wohl ganz schnell. Am Montag der Kursschwenk der Kanzlerin - und am Freitag soll das Parlament entscheiden. Das gefällt längst nicht jedem.

 Hierzulande dürfen Lesben und Schwule nun richtig heiraten - ein historischer Moment.

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Foto: Michael Reichel

Die SPD und die Opposition setzten im Rechtsausschuss des Bundestages mit knapper Mehrheit durch, dass das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt werden kann. Ein solches rot-rot-grünes Votum gegen die Stimmen der Union ist ein bemerkenswerter Vorgang und bedeutet eine offene Konfrontation zwischen den Koalitionspartnern. Im Bundestag gilt eine Mehrheit für die Ehe für alle als sicher . Scharfe Kritik an den geplanten Neuregelungen kam aus der katholischen Kirche.

Kanzlerin Angela Merkel sagte der "Wirtschaftswoche": "Jeder Abgeordnete soll seinem Gewissen folgen können, und ich wünsche mir, dass wir das gerade auch in Zukunft in großem Respekt voreinander und vor den unterschiedlichen Sichtweisen tun. Ich jedenfalls werde alles dafür tun."

Während Spitzenleute der Union wie Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, ein Nein angekündigt haben, wollen andere Mitglieder der Unionsfraktion gemeinsam mit SPD und Opposition stimmen.

Merkel kritisierte in dem Interview erstmals öffentlich das Vorgehen des Koalitionspartners SPD. "Mir ist es fremd, wie eine solche Entscheidung genau in dem Moment, als sich die realistische Aussicht auf ein fraktionsübergreifendes Vorgehen ergab, in eine parteipolitische Auseinandersetzung gezogen wurde." Dies sei "traurig, und es ist vor allem auch völlig unnötig". Es gehe "um eine Entscheidung, die die tiefsten Überzeugungen von Menschen und die Ehe, einen Grundpfeiler unserer Gesellschaft berührt". Jeder Abgeordnete solle deswegen in Respekt vor den unterschiedlichen Sichtweisen seinem Gewissen folgen können.

Die Kanzlerin war am Montagabend überraschend vom klaren Nein der CDU zur Ehe für alle abgerückt und hatte damit die aktuelle Entwicklung ins Rollen gebracht. Die SPD nahm ihre Äußerungen zum Anlass, eine schnelle Abstimmung gemeinsam mit Linken und Grünen durchzusetzen und die Union damit drei Monate vor der Wahl in die Enge zu treiben.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte, die Ehe sei "die Lebens- und Liebesgemeinschaft von Frau und Mann als prinzipiell lebenslange Verbindung mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben". Er kritisierte: "Wir bedauern, wenn dieser Ehebegriff aufgelöst werden soll und damit die christliche Auffassung von Ehe und das staatliche Konzept weiter auseinandergehen." Die katholische Laienorganisation "Wir sind Kirche" hingegen widersprach: "Ansonsten werden ganze Menschengruppen weiterhin diskriminiert."

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland begrüßte die Ehe für alle. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau werde dadurch keineswegs geschmälert, hieß es in einer Erklärung.

Dem Parlament liegen seit längerem drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-Ehe vor - von Linken, Grünen und vom Bundesrat. Eine Entscheidung wurde aber immer wieder vertagt. Über den Antrag der Länderkammer soll nun abgestimmt werden.

Die Unions-Spitze hatte sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl gesperrt - und wirft der SPD wegen ihres Vorstoßes "Vertrauensbruch" vor. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der "Rheinischen Post" (Donnerstag): "Die SPD ist nicht vertragstreu und paktiert mit Grünen und Linkspartei." Die Abstimmung im Rechtsausschuss sei der Testfall für Rot-Rot-Grün im Bund.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kündigte an, im Bundestag eine namentliche Abstimmung zu beantragen, um offenzulegen, welche Abgeordneten hinter der Ehe für alle stehen.

Da die Union aus Ärger über das SPD-Vorgehen bei ihrem Widerstand gegen die Aufsetzung des Tagesordnungspunktes bleibt, muss der Bundestag am Freitagmorgen um 8.00 Uhr zunächst darüber abstimmen, ob das Thema zusätzlich aufgerufen wird. Dies könnte eine knappe Entscheidung werden: SPD, Linke und Grüne haben zusammen 320 Sitze - und damit nur wenige Mandate mehr als die Unions-Fraktion.

Bei der eigentlichen inhaltlichen Abstimmung über die Ehe für alle direkt im Anschluss gilt eine Mehrheit dagegen als sicher, da neben SPD, Linken und Grünen eben auch mehrere Unions-Leute ein Ja angekündigt haben. Die CDU/CSU-Fraktion hat die Entscheidung zur Gewissensfrage erklärt. Damit entfällt der sogenannte Fraktionszwang, der Abgeordnete an eine vorgegebene Linie binden soll.

Weitere Infos

  • Die Abgeordneten des Bundestages sind nach Artikel 38 des Grundgesetzes "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Sie dürfen das tun, was nach ihrer persönlichen Überzeugung dem Wohl der Bevölkerung und des Staates am besten dient. So sind sie vor Anweisungen aus Partei, Fraktion oder Wahlkreis geschützt. Diese Freiheit gilt für jede Entscheidung, nicht nur bei Gewissensfragen.

Doch sind Abgeordnete auch Repräsentanten einer politischen Partei. Meist zählt die freiwillig selbst auferlegte Fraktionsdisziplin, bei der sich der Parlamentarier der Mehrheitsmeinung unterwirft. Ein Zwang liegt vor, wenn die Fraktion ein bestimmtes Votum auferlegt und Sanktionen androht. Dies wäre mit Artikel 38 GG jedoch nicht vereinbar. Es besteht allerdings die Möglichkeit, einen Abweichler bei der folgenden Wahl nicht wieder als Kandidaten aufzustellen - und ihm das auch zu signalisieren. Das wäre nicht verfassungswidrig.

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