Terroralarm in Europa Katzenfotos gegen Terrorangst

Brüssel · Brüssel liegt das öffentliche Leben weiter brach. Eigentlich hätte gestern eine neue Arbeitswoche beginnen sollen, doch der Alltag lässt auf sich warten. Auch in anderen Metropolen rüsten Spezialisten sich für den Ernstfall

 Die martialische Ausstrahlung gehört dazu: Ein Polizist und ein Soldat patrouillieren in der Galerie de la Reine in Brüssel.

Die martialische Ausstrahlung gehört dazu: Ein Polizist und ein Soldat patrouillieren in der Galerie de la Reine in Brüssel.

Foto: dpa

Für einen kleinen Moment blitzte am Tag drei des Ausnahmezustands in Brüssel doch so etwas wie Humor auf. Als die Anti-Terror-Spezialisten am Abend zuvor in der belgischen Hauptstadt erneut mehrere Wohnungen durchsuchten, hatten sie die Twitter-Gemeinde händeringend gebeten, keine detaillierten Beobachtungen über die Aktionen mehr zu teilen. Sofort stellten die User ihre Nachrichten ein und verschickten stattdessen - Bilder von Katzen. Hunderte mehr oder minder kuriose Fotos der Vierbeiner (eine Abbildung zeigte Premierminister Charles Michel mit Katzenschnurrbart) wurden seit Sonntagabend ins Netz gestellt. Trotz aller Anspannung bedankte sich die belgische Polizei gestern und twitterte das Bild eines mit Futter gut gefüllten Napfes mit der Aufschrift "Polizei". "Bitte bedienen Sie sich" stand daneben und im Untertitel "bedankten" sich die Sicherheitsbehörden "für die große Hilfe" am Abend zuvor.

Doch es blieb der einzige Lichtblick an diesem Montag, an dem Brüssel noch stiller und gespenstischer schien als am Wochenende. Die Metros standen weiter in ihren Depots, neben den Geschäften, Shopping-Centern und Unternehmen blieben auch Schulen, Universitäten, öffentliche Gebäude, Schwimmbäder und Banken geschlossen. Einige EU-Verwaltungen hatten ebenfalls ein handgeschriebenes "Ferme" an die Türen gehängt. "Es ist noch nicht zu Ende", begründete Innenminister Jan Jambon am Morgen in einem Radio-Interview seiner Bevölkerung die Maßnahmen.

Schlimmer noch: Es geht weiter. Aufgrund aktueller Erkenntnisse bleibt Brüssel mindestens bis morgen eine geschlossene Stadt. Einige Beschränkungen sollen sogar bis mindestens kommenden Montag in Kraft bleiben, teilte Premierminister Charles Michel am Abend mit. Der Grund: Seit Sonntagabend hatten die Anti-Terror-Spezialisten 21 Personen verhaftet. Salah Abdeslam, der Drahtzieher der Anschläge in Paris, war zwar nicht darunter. Aber die hohe Zahl von Unterstützern alarmierte die Behörden erneut. "Die Gefahr ist mitnichten geringer geworden", hieß es aus dem Krisenzentrum OCAm am Abend. Hinzu kamen immer neue Spekulationen.

Zwar durchsuchten die Anti-Terror-Einheiten in der Nacht zuvor 19 Häuser und nahmen 16 Verdächtige fest. Salah Abdeslam, der Drahtzieher der Anschläge in Paris, war nicht darunter. Dafür schossen immer neue Spekulationen ins Kraut. Als am Vormittag ein Fahrzeug bei Lüttich eine Polizeisperre durchbrach, hieß es, der 26-jährige Islamist sei auf dem Weg nach Aachen. Der Staatsanwalt stellte den Irrtum wenig später klar. In Brüssel selbst fielen Schüsse auf einen davonfahrenden Motorrad-Fahrer, der aber unverletzt blieb. "Eine Millionenstadt wie Brüssel zum Stillstand gebracht zu haben, dürfte der größte propagandistische Erfolg der Terroristen des IS sein", schrieb ein User auf Twitter. Die Stimmen, die voller Unverständnis auf die Sperrung ihrer Stadt reagierten, wurden lauter. Dabei bemüht sich die politische Spitze inzwischen erkennbar, ihre Strategie zumindest so zu erklären, dass nicht alle ermittlungstaktischen Details preisgegeben werden.

"Dass Abdeslam noch auf der Flucht ist, zeigt, dass er sehr viel Unterstützung haben muss", bekräftigte Innenminister Jambon. "Die Operation ist noch nicht beendet, sie muss weitergehen." Am Montag setzten die Anti-Terror-Einheiten fünf weitere Personen fest. Inzwischen reagieren auch die Sicherheitsbehörden zunehmend gereizt. Bereits bei der Pressekonferenz am frühen Montagmorgen ließ die Staatsanwaltschaft keine Fragen mehr zu. Man steht unter Druck, weil ein Fahndungserfolg unerlässlich ist, um die Terrorwarnstufe vier wieder zurücknehmen zu können. Ohne Durchbruch kann die Politik die Schutzmaßnahmen nicht wieder aufheben, weil die Bevölkerung dann nach dem Sinn der Beschränkungen in den zurückliegenden Tagen fragen würde. Dennoch müsse "das soziale und gesellschaftliche Leben weitergehen", sagte Jambon gestern. Das dürfte im Angesicht von Soldaten, Panzerwagen und schweren Waffen allerdings vielen schwerfallen.

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