Hintergrund: Was Eltern bei Radikalisierung tun können

Bremen · Was sollen Eltern tun, wenn Sohn oder Tochter in Islamistenkreise abdriften? Keine Dauerkritik und keine Verbote, sondern das eigene Kind erst nehmen und ihm zuhören, sagt der Religionspädagoge und Sozialarbeiter André Taubert.

 Ein Mann schaut auf die Berichterstattung über die "Scharia-Polizei" im Internet. Foto: Oliver Berg/Archiv

Ein Mann schaut auf die Berichterstattung über die "Scharia-Polizei" im Internet. Foto: Oliver Berg/Archiv

Foto: DPA

Wenn ein Jugendlicher sich dem radikalen Salafismus zuwendet, dürfen die Eltern vor allem nicht den Kontakt zu ihrem Kind abbrechen.

Taubert berät beim Beratungsnetzwerk "Kitab" aus Bremen vor allem Mütter von Jugendlichen, die in die Fänge von Islamisten geraten sind. "Sie dürfen vor allem nicht in ewigen Streit mit ihrem Kind verfallen, denn oft sind sie die letzten mit einer weltlichen Ideologie, die noch an den Kindern dran sind", sagt der 37-Jährige.

Anstatt ständig über Weltanschauung zu streiten und den Salafismus zu kritisieren, sollten die Eltern lieber über andere Dinge sprechen. Die Jugendlichen würden in ihrer Ansicht eher noch bestärkt, wenn "ständig dagegen gewettert wird". Der Berater sagt: "Man muss sich bewusst zurücknehmen und Themenwechsel einleiten. Es muss wieder um die Themen gehen, die einen verbinden und nicht um die, die einen trennen."

Doch erst einmal müssten die Eltern verstehen, aus welchen Gründen sich ihre Kinder zu dieser Gruppe hingezogen fühlen. Die Eltern sollten fragen: "Warum geht es dir damit besser?" Und sie sollten ihnen den Freiraum lassen, darüber zu sprechen.

Als Angehöriger könne man seine eigene Haltung zwar durchaus äußern, etwa: "Ich kann damit nichts anfangen." Dennoch sollten die Eltern ihr Kind auffordern, sie einmal mit in die Moschee zu nehmen. "Dadurch können sie den Kindern Anerkennung zeigen." Denn viele der Jugendlichen glaubten, dass sie eigentlich die Welt verbessern.

In den Fällen, in denen der Jugendliche schon in einem Kriegsgebiet wie etwa in Syrien oder im Irak ist, sollten die Eltern versuchen, Drähte aufzubauen und zu erhalten. "Sie dürfen nicht in Konflikt-Telefonate verfallen, sondern sollten ihnen sagen, dass sie sie vermissen, dass sie in der Familie gebraucht werden." Wenn die jungen Männer und Frauen sich meldeten, sei das oft ein Zeichen, dass sie sich nach zu Hause sehnen und vielleicht bereits Zweifel haben.

Erste Erfolge können sich nach den Erfahrungen Tauberts schon nach kurzer Zeit einstellen, etwa wenn der Jugendliche wieder mit den Eltern redet oder nicht mehr jeden Freitag in die Moschee geht, oder wenn das Mädchen das Kopftuch abnimmt. Die Beratung dauert aber oft mehrere Monate, wenn nicht länger. Richtig abgeschlossen werden könnten die wenigsten Fälle.

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