Fragen und Antworten: Kann Europa auf Energiesicherheit hoffen?

Brüssel/Moskau · Als "Durchbruch" nach sieben zähen Verhandlungsrunden lobt die Europäische Union die Einigung zwischen Russland und der Ukraine im Gaskonflikt.

 Die Einigung im Gasstreit ist ein erster Schritt zur Energiesicherung in diesem Winter. Foto: Julian Stratenschulte

Die Einigung im Gasstreit ist ein erster Schritt zur Energiesicherung in diesem Winter. Foto: Julian Stratenschulte

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Nach mehr als vier Monaten ohne russisches Gas soll die Ukraine - das wichtigste Transitland für die EU - bald vom Nachbarn wieder Energie für den Eigenbedarf bekommen. Ob die Energiesicherheit in Europa nun tatsächlich gesichert ist, dazu einige Fragen und Antworten:

Es wird schon so lange gestritten über das Gas - ist denn der Konflikt jetzt beigelegt?

Das "Winterpaket" ist nur eine Teileinigung. Und auch die steht und fällt damit, ob die Ukraine Geld an Russland zahlt. Die Entscheidung darüber trifft der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk, der solche Zahlungen abgelehnt hatte. Er hatte stets betont, dass der von Russland zuletzt genannte Preis von 385 US-Dollar (300 Euro) je 1000 Kubikmeter Gas für die Ukraine zu hoch sei. Jazenjuk wollte nur 268 Dollar zahlen. Jetzt erwartet Russland aber schon kommende Woche das erste Geld. Abgesehen von der Einigung für die Wintermonate streiten Moskau und Kiew weiter über die Gaslieferungen.

Welche Fragen sind im Gasstreit weiter offen?

Gestritten wird weiter über die Höhe der Schulden und die künftigen Tarife für Gaslieferungen. Der russische Gasmonopolist Gazprom spricht weiter von insgesamt 5,3 Milliarden US-Dollar Schulden. Die nun vereinbarte Zahlung von 3,1 Milliarden US-Dollar sieht Moskau nur als Schritt auf dem Weg zur Schuldentilgung. Mehr zahlen will die Ukraine aber nicht. Eine Lösung des Gaskonflikts ist also nur aufgeschoben. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete das "Winterpaket" am Freitag aber als "wichtigen Schritt bei der weiteren Sicherung des ununterbrochenen Gastransits nach Europa".

Gibt es Sieger in dem Konflikt?

Die EU-Kommission meinte nach den nächtlichen Verhandlungen, dass alle gewonnen hätten, weil nun keine Wohnungen - weder in der Ukraine noch in der EU - kalt bleiben müssen. Die EU hatte ja ein Interesse an einer raschen Lösung, weil die Ukraine das wichtigste Transitland für russisches Gas ist. Es gab Befürchtungen, dass die Ukrainer aus Not das für die Westeuropäer bestimmte Gas abzweigen könnten. Vor allem Russland, das Wert legt auf verlässliche und stabile Lieferbeziehungen zur EU, hatte befürchtet, dass es selbst am Ende für Probleme verantwortlich gemacht werden könnte.

Haben die Russen am Ende am meisten Zugeständnisse machen müssen?

Danach sieht es aus. Sie sind mit dem Preis für neue Gaslieferungen auf Druck der Ukraine immer weiter nach unten gegangen. Zudem haben sie die Schuldenforderungen gesenkt. Und sie verzichteten auf mehrere Klauseln des eigentlich weiter gültigen Gasvertrags mit der Ukraine. So entfällt etwa die Pflicht für die Ukraine, für bestimmte Gasmengen zu bezahlen, auch wenn sie diese gar nicht abnimmt. Bis zuletzt verlangte Russland auch eine Garantie der EU dafür, dass die Ukraine tatsächlich ihre Rechnungen bezahlt. Dazu hatte Moskau etwa einen EU-Kredit vorgeschlagen - oder sogar direkte Überweisungen aus Brüssel für ukrainisches Gas auf russische Konten angeregt.

Gibt es denn eine EU-Finanzgarantie für die Ukraine?

Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) unterstützen die chronisch klamme Ex-Sowjetrepublik mit Milliardenkrediten. Diese sind aber nicht zweckgebunden. Dass die EU oder der IWF für die Gasrechnungen eines fremden Landes aufkommen, wäre weltweit neu. Allerdings hoffen die Geldgeber, dass die Ukraine die auf einem Konto hinterlegten 3,1 Milliarden US-Dollar nun tatsächlich für die Schuldentilgung einsetzt, damit dann die seit Juni unterbrochenen Gaslieferungen wieder aufgenommen werden. Aber Garantien gibt es gar nicht. Die russische Seite meinte nach den zähen Verhandlungen in Brüssel, dass es im Grunde nur ein "Ehrenwort" der Ukrainer gebe, nun zahlen zu wollen.

Kann die Ukraine die von den Russen verlangte Vorkasse für neue Lieferungen zahlen?

Der ukrainische Energieminister Juri Prodan war nach den Verhandlungen in Brüssel sichtlich schweißgebadet und wirkte unsicher. Russland will den Gashahn nur wieder aufdrehen, wenn nicht nur die Schulden, sondern auch bestellte Gasmengen vorab bezahlt werden. Das soll per monatlicher Rechnung geschehen. Für 4 Milliarden Kubikmeter Gas soll die Ukraine bis Jahresende noch einmal 1,5 Milliarden US-Dollar veranschlagen.

"Für die Ukraine wird es sehr schwer werden, die finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen", meinte der Kiewer Energieexperte Wladimir Omeltschenko. Er verweist auch darauf, dass die internationalen Finanzhilfen allgemein für die ökonomische Stabilisierung und die Ergänzung des Staatshaushaltes vorgesehen seien - und nicht nur für Gas.

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