Balkanroute noch mit Lücken Flüchtlingsgipfel setzt auf Grenzschutz

Wien · Gastgeber Österreich war entscheidend an der weitgehenden Schließung der Balkanroute beteiligt. Ein Gipfel der angrenzenden Staaten versuchte eine Bilanz. Die anfängliche EU-Kritik ist gänzlich verhallt.

 Bundeskanzlerin Merkel und ihr österreichischer Amtskollege Kern beim Flüchtlingegipfel in Wien.

Bundeskanzlerin Merkel und ihr österreichischer Amtskollege Kern beim Flüchtlingegipfel in Wien.

Foto: Christian Bruna

Im Kampf gegen illegale Migration wollen die Staaten auf der Balkanroute auch mit Unterstützung der EU letzte Lücken beim Grenzschutz schließen. Dies wurde bei einem Flüchtlingegipfel von elf Staaten in Wien deutlich .

Trotz der Grenzzäune und -kontrollen seien in diesem Jahr rund 50 000 Menschen über diesen Weg nach Deutschland und 18 000 nach Österreich gekommen, sagte Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) nach dem Treffen. "Wir müssen die Kontrolle über unsere Außengrenzen wiedergewinnen, wir müssen diejenigen sein, die entscheiden, wer nach Europa kommt, nicht die Schmuggler", meinte Kern.

Dabei könnte die europäische Grenzschutzagentur Frontex eine noch wichtigere Rolle spielen. Griechenland hat nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen entsprechenden Hilfsantrag zum Frontex-Einsatz an der griechisch-mazedonischen Grenze gestellt. Darüber hinaus sollen die Bemühungen um Rückführungsabkommen mit Staaten wie Ägypten, Niger, Mali, Senegal und auch Pakistan und Afghanistan verstärkt werden.

Ungarns rechts-konservativer Regierungschef Viktor Orban kann sich gar die Einrichtung eines "gigantischen Flüchtlingslagers" an Libyens Küste vorstellen. Er zeigte sich erneut äußerst skeptisch, dass Griechenland in der Lage ist, die EU-Außengrenze wirksam zu schützen. Daher plädierte er für eine neue "Verteidigungslinie für Europa". Das gelte insbesondere dann, wenn der Flüchtlingspakt mit der Türkei scheitere.

Deutschland werde Griechenland und Italien in der Flüchtlingskrise besonders unterstützen, sagte Merkel. Die Bundesrepublik werde aus diesen Staaten mehrere hundert Migranten mit Bleiberecht pro Monat aufnehmen. Gerade diese Menschen bräuchten eine Perspektive. Insgesamt hat die EU aus ihrer Sicht bereits deutliche Fortschritte bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung gemacht. Im Vergleich zur Situation vor etwa einem Jahr sei sehr viel erreicht worden. "Unser Ziel muss sein, die illegale Migration so weit wie möglich zu stoppen", so Merkel.

Die Organisation Pro Asyl erhob schwere Vorwürfe gegen die deutsche Regierung. "Die Bundesregierung treibt gemeinsam mit den übrigen EU-Staaten Flüchtlinge in Griechenland in eine verzweifelte Situation", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt der "Welt".

Während die EU die Schließung der Balkanroute zunächst äußerst skeptisch gesehen hatte, bekannte sich EU-Ratspräsident Donald Tusk auf dem Gipfel eindeutig zu dieser Grenzsicherung. "Wir müssen praktisch und politisch sicherstellen, dass die westliche Balkanroute für illegale Migration für immer geschlossen ist." Allerdings betonte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, dass Solidarität und Würde in der EU Grundwerte und -prinzipien sein. "Solidarität gibt es nicht à la carte", sagte Avramopoulos an die Adresse der EU-Staaten, die sich bisher einer fairen Verteilung der Lasten der Flüchtlingskrise verweigern.

Zu dem Treffen hatte Österreichs Bundeskanzler Kern auch die Regierungschefs aus Griechenland, Slowenien, Kroatien, Serbien, Albanien, Ungarn, Bulgarien, Mazedonien und Rumäniens Innenminister eingeladen. Österreich hat sich seit Jahresbeginn von seiner anfänglichen Willkommenspolitik verabschiedet und ist nun eine der treibenden Kräfte beim Versuch, den Andrang der Flüchtlinge einzudämmen.

Nach einem deutlichen Rückgang zu Jahresbeginn sind die Asylbewerberzahlen in der Europäischen Union wieder gestiegen. Im zweiten Quartal beantragten 305 700 Menschen erstmals Schutz in der EU, 61 Prozent davon in Deutschland, geht aus jüngsten Zahlen der Statistikbehörde Eurostat hervor. Insgesamt suchten rund 600 000 Menschen im ersten Halbjahr Zuflucht in der EU.

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