Wahlen Die CDU und ihre Sorge vor einer Angela Merkel als "lahme Ente"

Berlin/München · In der CDU wächst die Unruhe über Merkels Entscheidungsprozess. Tritt sie 2017 noch mal für das Kanzleramt an? Ja - sagt eine andere Frau. Abwarten - sagt der CSU-Chef.

 Bundeskanzlerin Merkel steht am 28. August in Berlin während des Tages der offenen Tür der Bundesregierung inmitten von Bürgern im Bundeskanzleramt.

Bundeskanzlerin Merkel steht am 28. August in Berlin während des Tages der offenen Tür der Bundesregierung inmitten von Bürgern im Bundeskanzleramt.

Foto: Rainer Jensen

Ist die Kanzlerin eine lahme Ente? So nennt man in den USA einen Präsidenten oder Politiker, der zwar noch im Amt ist, aber nicht wieder gewählt werden kann, will oder darf - und deswegen bereits als handlungsunfähig gilt.

Ist die Kanzlerin, die immer noch nicht sagt, ob sie zur Bundestagswahl 2017 wieder antritt, also so eine "Lame Duck", wird Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin gefragt. Und, ob Merkels Handlungsfähigkeit als Regierungschefin belastet ist. "Auf beide Fragen ein klares Nein", antwortet Seibert.

Aber was bedeutet das, wenn Merkel keine "lahme Ente" ist? Heißt das, sie tritt wieder an? Merkel selbst sagt seit Monaten, dass sie ihre Entscheidung zu "gegebener Zeit" bekanntgeben werde. Sie habe nie etwas anderes angekündigt, betont Seibert. Aber wann genau ist das? Seibert hat auch darauf eine Antwort: "Der gegebene ist der richtige Zeitpunkt."

Für viele CDU-Mitglieder ist der richtige Zeitpunkt längst gekommen. Schon allein deshalb, weil ein Wahlkampf immer eine sehr lange Vorbereitung braucht. Wenn man da gar nicht weiß, wen man plakatieren und auf wen die Kampagne zugeschnitten werden soll, wird es schwierig. Selbst aus dem engeren Umfeld der Parteivorsitzenden und Kanzlerin berichten Mitstreiter, sie wüssten auch noch nicht, was Merkel machen wird. Sie rechnen jedoch fest damit, dass sie zum vierten Mal in Folge für das Kanzleramt kandidiert. Und eine ganze Reihe prominenter CDU-Politiker tut das jetzt auch kund.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner gibt das am Montag vor einer Präsidiumssitzung im Konrad-Adenauer-Haus forsch schon als Fakt bekannt: "Angela Merkel wird wieder antreten als Parteivorsitzende am Bundesparteitag und sie wird dann selbst entscheiden, wann sie verkünden wird, dass sie als Kanzlerkandidatin zur Verfügung steht." Nicht, ob Merkel als Kandidatin zur Verfügung steht, sondern dass sie zur Verfügung steht. Dass Klöckner das ankündigt, erscheint ungewöhnlich.

CSU-Chef Horst Seehofer sieht das ganz anders: "Die ewigen Diskussionen über Personen sorgen für Politikverdrossenheit", sagt er im weit von Berlin entfernten Landshut. Die seit dem Wochenende laufende Debatte sei "dämlich". Es sei eine logische Folge und zwischsen ihm und Merkel abgstimmt, dass erst die offenen Sachfragen und dann die Personalien geklärt werden müssten. Nur "Micky Mäuse" würden anders handeln.

Doch vollends hinter Merkel will sich Seehofer am Tag eins nach seinem Urlaub nicht stellen. "Wir sind froh, dass wir sie haben", lobt er Merkel. "Aber wir müssen erst schwierige Fragen klären." Der CSU-Chef betonte aber auch, dass weder Merkel noch er selbst unersetzlich seien: "Niemand ist in keinem Bereich auf Gedeih und Verderb auf jemanden angewiesen."

Wie bei Seehofer darf man auch bei der CDU-Vize-Vorsitzenden Klöckner annehmen, dass sie im Bilde ist und so etwas nicht derart apodiktisch ohne Merkels Billigung sagen würde. Doch wer hat recht? Und wer zu viel oder zu wenig geplaudert? Der CDU-Parteitag findet im Dezember in Essen statt. Klöckner zufolge wird sich Merkel also dort wieder für den Vorsitz bewerben, den sie seit dem 10. April 2000 inne hat.

Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur gelten für Merkel als untrennbar. Als ihr Vorgänger Gerhard Schröder 2004 den SPD-Vorsitz abgab, prophezeite die damalige Oppositionsführerin dem Kanzler einen "Autoritätsverlust auf ganzer Linie". Das sei "der Anfang vom Ende von Kanzler Gerhard Schröder". Ein Jahr später verlor Schröder die Bundestagswahl. Merkel löste ihn ab. So erscheinen Spekulationen, dass sie sich zwar zur CDU-Vorsitzenden wählen lassen könnte, aber erst später etwas zu ihrer Kanzlerkandidatur sagen oder dann darauf verzichten würde, unwahrscheinlich.

Denn dann würde Merkel das tun, was sie als schädlich für den Machterhalt der CDU empfände: Vorsitz und Kanzlerschaft nicht in einer Hand zu behalten. Vermutet wird vielmehr, dass Merkel die Vorstandswahl mit der Ankündigung ihrer Kanzlerkandidatur verknüpft - auch, um ein besseres Ergebnis zu bekommen. Denn anders als der SPD wird den Christdemokraten nicht zugetraut, dass sie ihre Kanzlerin und abermalige Kanzlerkandidatin bei einer Vorstandswahl beschädigen. Die CDU will regieren. Einen Dämpfer wegen ihrer Flüchtlingspolitik müsste Merkel eher dann fürchten, wenn sie auch in Essen immer noch zum Kanzleramt schwiege.

Aber knapp ein Jahr nach Merkels Entscheidung für eine offene Flüchtlingspolitik liegt noch immer eine tiefe Kluft zwischen CSU und CDU. Mit ganz pragmatischen wie weitreichenden Folgen: Nach wie vor fände sich an der CSU-Basis kaum jemand, der bereit wäre, Merkel im Wahlkampf zu unterstützen, heißt es etwa aus der CSU-Landtagsfraktion. Aber auch das ist in Bayern ein offenes Geheimnis: Letztlich will die CSU keinen dauerhaften Bruch mit der CDU.

Deshalb ist gerade in den höheren Parteikreisen ein gemeinsamer Kanzlerkandidat weiter klares Ziel. Schon aus eigenem Machtinteresse. Die große Angst in der CSU heißt "CDU-Landesverband Bayern". Ein hochrangiges CSU-Mitglied sagt, sollte sich die CDU entscheiden, auch bei Wahlen in Bayern anzutreten, "sind die Zeiten unserer absoluten Mehrheit endgültig vorbei".

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