Kroos trifft zum Sieg Deutschland nach 2:1 gegen Schweden wieder im WM-Rennen

Sotschi · Für Joachim Löw war es eines der wichtigsten Spiele in seiner Karriere als Bundestrainer. Der Sieg Mexikos gegen Südkorea hatte den Druck auf die DFB-Elf noch einmal gewaltig erhöht. Und in der Nachspielzeit erlöste Toni Kroos den Weltmeister.

 Die deutschen Spieler bejubeln den 2:1-Sieg über Schweden.

Die deutschen Spieler bejubeln den 2:1-Sieg über Schweden.

Foto: Christian Charisius

In einer Mischung aus Freude und Erleichterung sanken die deutschen Spieler zu Boden, Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff fielen sich um den Hals. Mit großer Hingabe und einem Last-Minute-Tor von Toni Kroos hat sich der Weltmeister ins WM-Rennen zurückgekämpft.

Der Champions-League-Sieger von Real Madrid mit einem Freistoß in der Nachspielzeit (90.+5) und Marco Reus (48.) verhinderten mit ihren Treffern beim 2:1 (0:1) in Sotschi gegen Schweden nicht nur den sofortigen WM-K.o., jetzt ist für Löw und sein Team auch wieder alles drin.

"Letztendlich war der Sieg verdient, weil wir auch in der zweiten Halbzeit an uns geglaubt haben. Wir haben sehr gute Moral bewiesen", sagte Löw in der ARD. Die deutsche Nationalmannschaft kann im Gruppenfinale gegen Südkorea den Achtelfinal-Einzug perfekt machen. "So wie wir gefightet haben, haben wir uns das verdient am Ende", sagte Kroos nach seinem 13. Länderspieltor, dem ersten seit Oktober 2016 - und dem mit Abstand wichtigsten.

Das DFB-Team verdiente sich den Sieg im zweiten Gruppenspiel mit einer deutlichen Steigerung nach der Pause. Gegen Südkorea wird jedoch Innenverteidiger Jérôme Boateng fehlen, der in der 82. Minute die Gelb-Rote Karte sah. Ola Toivonen (32.) hatte die Skandinavier vor 44.287 Zuschauern in der Fischt-Arena in Führung gebracht.

"Jetzt müssen wir Südkorea schlagen und dort von der ersten Minute an Gas geben", sagte Kroos. Mit seinen Personal-Rochaden hatte Löw überrascht - und war Risiko eingegangen. Denn er setzte nicht nur die Weltmeister Mesut Özil und Sami Khedira auf die Bank. Die von Löw neu aufgestellte Elf begann couragiert, extrem offensivfreudig und erarbeitete sich nach wenigen Minuten gleich die erste gute Chance.

Die Vorgabe des Bundestrainers: Mehr Spieler als gegen Mexiko sollten "in die Box" - das zeigte gleich Wirkung. Nach schöner Vorarbeit des umtriebigen Timo Werner scheiterte Julian Draxler aus bester Position (3.). Gegen die wie erwartet defensiv kompakt stehenden Skandinavier versuchten es die Deutschen mit viel Bewegung, die Offensivkräfte Thomas Müller, Reus und Draxler gingen immer wieder abwechselnd in die Spitze. In den ersten zehn Minuten hatten Jonas Hector (4.), Draxler (8.) und Werner nach feinem Zuspiel von Reus (9.) weitere Chancen. Doch ein Fehler Draxlers ermöglichte den Schweden auch die erste Konterchance, bei der Müller am eigenen Strafraum aushalf (6.).

Die Zuschauer sahen eine temporeiche Anfangsphase. Denn auch die Schweden kamen zu Chancen. Ein schlimmer Ballverlust von Antonio Rüdiger, der für den verletzten Mats Hummels in die Innenverteidigung gerückt war, ermöglichte Marcus Berg einen schnellen Gegenzug. Jérôme Boateng brachte den Ex-Hamburger im letzten Moment ins Straucheln - und hatte Glück, dass der polnische Schiedsrichter Szymon Marciniak kein strafbares Handeln des Münchners sah (13.).

Es entwickelte sich das erwartete Spiel gegen sehr zweikampfstarke Schweden, die gegen Südkorea zum Auftakt 1:0 gewonnen hatten. Löws variables System ging zunächst vor allem offensiv auf. Die defensive Anfälligkeit allerdings, das große Manko bei der Niederlage gegen die Mexikaner, war bei den beiden schwedischen Chancen auch zu sehen.

Nach einer halben Stunde dann jedoch der erste Schockmoment. WM-Debütant Sebastian Rudy, der im defensiven Mittelfeld durchaus Ballsicherheit ins Spiel gebracht hatte, wurde bei einem Zweikampf unabsichtlich im Gesicht getroffen, blutete stark und musste nach einer sechsminütigen Behandlungspause und Unterzahlspiel vom Platz.

Für den Münchner kam Ilkay Gündogan, der eine Minute nach seiner Einwechslung das 0:1 miterleben musste. Mit einem Katastrophenpass schenkte Kroos den Schweden den Ball. Angreifer Toivonen vom FC Toulouse nutzte die Gelegenheit konsequent. Ersatzverteidiger Rüdiger konnte nicht mehr klären und fälschte den Ball noch unglücklich ab. Kapitän Manuel Neuer hatte keine Chance - und tobte über das 0:1.

Die Ordnung im deutschen Spiel schwand nach der starken Anfangsphase mehr und mehr. Zudem brachten krasse individuelle Fehler den Weltmeister immer wieder in Not. Hector konnte mit der Hacke in letzter Sekunde gegen Viktor Claesson klären (44.). In der Nachspielzeit der ersten Hälfte befand sich die DFB-Elf bei einem schnell ausgeführten Freistoß komplett im Tiefschlaf. Den Kopfball von Berg lenkte Neuer reaktionsschnell um den Pfosten (45.+3).

Löw wirkte restlos bedient, als er in die Kabine schritt. Als das erhoffte Tor zu Beginn nicht gefallen war, reagierten seine Spieler viel zu früh mit Hektik und verloren die nötige Ruhe. Das 2:1 der Mexikaner gegen Südkorea zuvor hatten den Druck noch einmal gewaltig erhöht - und diesem schien die deutsche Elf lange nicht gewachsen.

Mit viel Wut und Schwung kam die DFB-Auswahl mit Mario Gomez anstelle des Paris-Profis Draxler aus der Kabine. Der zuvor glücklose Kroos setzte Werner auf dem linken Flügel ins Szene. Die Eingabe des Leipzigers bugsierte Reus mit dem linken Knie in das schwedische Tor.

Nun war eine deutliche Steigerung zu erkennen, die deutschen Spieler agierten mit mehr Energie und Einsatz und direkterem Zug zum Tor. Vor allem der auffällige Werner sorgte mit seiner enormen Geschwindigkeit immer wieder für gefährliche Aktionen. Auch die Fehlerquote im Aufbauspiel verringerte sich. Werner hatte das 2:1 auf dem Fuß (81.), schoss aber drüber. Eine Minute später dann der Platzverweis für Boateng, der nach einem Foul an Berg zurecht Gelb-Rot sah.

Gomez scheiterte per Kopf an Olsen (88.), der eingewechselte Julian Brandt traf den Pfosten (90.+2) - und dann schlug Kroos zu.

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