Peinlicher Rekord Deutsche Bank überweist 28 Milliarden Euro aus Versehen

Frankfurt/Main · Bei der Deutschen Bank knirscht es derzeit nicht nur in der Vorstandsetage. Im täglichen Geschäft hat das größte deutsche Geldhaus vor Ostern aus Versehen 28 Milliarden Euro überwiesen, wie ein Unternehmenssprecher in Frankfurt bestätigte.

 Glück gehabt: Der Überweisungsfehler der Deutschen Bank fiel schnell auf und konnte rückgängig gemacht werden.

Glück gehabt: Der Überweisungsfehler der Deutschen Bank fiel schnell auf und konnte rückgängig gemacht werden.

Foto: Arne Dedert

Der neue Chef der Deutschen Bank konnte aufatmen: Die Fehlüberweisung in Höhe von sage und schreibe 28 Milliarden Euro ist offenbar haarscharf noch in die Amtszeit seines Vorgängers, John Cryan, gefallen. Der musste vor rund zwei Wochen seinen Hut nehmen und den Chefposten an der Spitze der Bank räumen.

Die Fehlüberweisung von 28 Milliarden Dollar dürfte alle Rekorde schlagen, die in dieser peinlichen Disziplin jemals aufgestellt worden sind. Zum Vergleich: Der Börsenwert der Deutschen Bank beträgt aktuell rund 24 Milliarden Euro. Und die Brisanz des Vorganges wird klar, wenn man sich vorstellt was hätte passieren können, wenn das Geld auf das Konto eines Dritten gegangen wäre. „Wenn solches Geld bei einem Empfänger landet, der möglicherweise unmittelbar vor der Insolvenz steht und dann auch Insolvenz anmeldet“, gibt der Aktionärsschützer Klaus Niedring von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitzer zu bedenken: „Dann ist ‚Holland in Not‘ – das kann dann in der Tat böse Folgen haben“.

In diesem Fall hatte es – zum Glück für das kriselnde Geldhaus – keine bösen Folgen. Denn die Überweisung erfolgte aus Sicht der Bank quasi hausintern: Von einem Konto des eigenen Hauses auf ein Deutsche-Bank-Kundenkonto bei der Terminbörse Eurex, einer Tochter der Deutschen Börse. Das Missgeschick ereignete sich im März; eigentlich sollte eine Routineüberweisung in wesentlich geringerer Höhe angewiesen werden. Zur Höhe der eigentlich beabsichtigten Überweisungssumme äußerte sich die Bank nicht.

Jedenfalls sollte die Zahlung als Sicherheit für Wertpapiergeschäfte fließen. Das ist gängige Praxis. Im Handel mit abgeleiteten Wertpapieren – so genannten Derivaten – sind Banken verpflichtet, für die jeweiligen Handelspartner Sicherheiten zu hinterlegen. Der Fehler der zu hoch ausgefallenen Überweisung sei nach wenigen Minuten entdeckt und behoben worden, teilte die Bank mit: „Wir haben die Ursachen sofort gewissenhaft untersucht und geeignete Maßnahmen ergriffen, damit sich ein solcher Fehler nicht wiederholt“. Ein finanzieller Schaden sei durch den Fehler weder der Bank, noch ihren Kunden entstanden.

Allerdings wirft die Überweisung die Frage auf, wie es um interne Kontrollen und Sicherheitssysteme bei der Bank bestellt ist. Es war eines der Chefprojekte des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs John Cryan, die veralteten und ineffizienten IT-Systeme auf Vordermann zu bringen.

Dass dies notwendig war und ist zeigt allein die Tatsache, dass es sich nicht um den ersten Patzer in dieser Hinsicht handelt: Bereits im Sommer 2015 flossen irrtümlicherweise umgerechnet rund 5,3 Milliarden Euro der Deutschen Bank an einen us-amerikanischen Hedgefonds. Damals machte die Bank einen neuen und jungen Mitarbeiter verantwortlich, dessen vorgesetzter gerade im Urlaub verweilte. „Also ich frage mich in der Tat: Warum gehen da nicht interne Alarmsysteme an, bei einer solchen Größenordnung? Wir sprechen hier aktuell von einer Summe, die die Marktkapitalisierung der gesamten Bank übersteigt“, sagt Klaus Nieding. Liquide Mittel allerdings hat die Bank weitaus mehr als 28 Milliarden Euro, so dass solche Zahlungen grundsätzlich möglich sind.

Fehlüberweisungen geschehen im Bankwesen immer wieder – auch in der Größenordnung von mehreren Milliarden Euro. So hatte auch die staatliche KfW im vergangenen Jahr versehentlich 7,6 Milliarden Euro angewiesen, konnte das Geld aber wieder zurückholen. Bildlich nennt man solche Vorgänge an den Finanzmärkten das „Fat-Finger-Problem“: Der klobige, zu dicke Finger eines Händlers schlägt ein paar Tasten zu viel an. Und schon wandern ein paar Nullen mehr in die Computersysteme – oder auf das Konto eines anderen.

Pikant ist das „Missgeschick“, wenn man es so nennen will, angesichts der aktuellen Situation der Bank: Der Aktienkurs ist nach starken Zweifeln von Anlegern tief in den Keller gerauscht. Denn in den vergangenen drei Jahren standen unter dem Strich der Bank jeweils Milliardenverluste; zuletzt häufte sich für das vergangene Jahr ein Verlust von rund einer drei viertel Milliarde Euro an. Auch am Freitag reagierten Anleger verstört auf die Meldung, die Titel gehörten an der Börse unter den Dax Werten zu den größten Verlierern. Christian Sewing, der neue Chef soll die Bank nun wieder profitabel machen.

Erst kürzlich geriet die aus der Bank scheidende IT-Chefin Kim Hammonds in ein ungutes Rampenlicht für die Bank und sorgte für negative Schlagzeilen. Sie wird das Kreditinstitut zur Hauptversammlung Ende Mai verlassen – Konsequenz eines Faux-Pas: Sie hatte die Bank als das „dysfunktionalste“ Unternehmen der Welt bezeichnet.

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