Wahlsieg mit Ankündigung Dem Westen bleibt sein Konfliktpartner Putin erhalten

Moskau · Wladimir Putin sitzt fest im Sattel - das ist das Ergebnis der gelenkten Wahl in Russland. Doch kann er sich und sein Land neu erfinden? Oder wird seine lange Herrschaft zum Problem?

 Wladimir Putin geht in das 19. Jahr seiner Herrschaft als russischer Präsident oder Ministerpräsident.

Wladimir Putin geht in das 19. Jahr seiner Herrschaft als russischer Präsident oder Ministerpräsident.

Foto: Alexander Zemlianichenko/AP

Wladimir Putin bleibt im Kreml - Russland und der Rest der Welt richten sich auf weitere Jahre mit dem Langzeitherrscher ein.

Die Abstimmung im größten Land der Erde am Sonntag war von den Behörden weniger als Wahl angelegt, sondern als Referendum über die Zustimmung zu Putin (65). Sie wurde zum Triumph. Mit allen erlaubten und einigen verbotenen Mitteln wie Druck am Arbeitsplatz wurden dafür Wähler an die Urnen gebracht.

Putin selbst konnte sich bescheiden geben, als er in Moskau seine Stimme abgab: Er sei mit jeder Prozentzahl zufrieden, "die es erlaubt, die Aufgaben des Präsidenten zu erfüllen". Den Wahltag über verbreiteten die Behörden Jubelmeldungen, dass die Beteiligung höher liege als bei der Wahl 2012. Und als politisches Signal wurden Zahlen um 75 Prozent der Stimmen für den Kremlchef verkündet - sein bislang bestes Resultat.

"Ich bin Mitglied eures Teams und alle, die heute gewählt haben, sind Teil unseres gemeinsamen Teams", bedankte sich der gut gelaunte Kremlchef abends vor 35 000 jubelnden Anhängern im Zentrum von Moskau. Die Tränen der Rührung von 2012, als er doch Zweifel an seinem Wahlerfolg gehabt hatte, blieben diesmal aus. Putin stimmte "Russland, Russland"-Rufe an und verschwand nach drei Minuten wieder. Das Bad in der Menge ist seine Sache nicht.

Auch wenn an dem Ergebnis gedreht worden sein mag, steht außer Frage, dass er Rückhalt hat in der russischen Bevölkerung. "Putin verkörpert die Hoffnungen jeder einzelnen gesellschaftlichen Gruppe. Er ist der wichtigste Liberale, Nationalist, Imperialist und Sozialist" - so deuten die Experten Andrej Kolesnikow und Denis Wolkow vom Moskauer Carnegie-Zentrum eine Umfrage.

Jeden ernsthaften politischen Wettbewerb hatte Putin aber schon vorher unterbunden. Der vom Anti-Korruptions-Aktivisten Alexej Nawalny ausgerufene Wahlboykott zog nicht. Nawalny, der hart im Nehmen ist, wird die Führung trotzdem weiter herausfordern.

Mit dem bekannten Gesicht an der Spitze des Staates wird nach dem Wahltag vieles sein wie vorher - auch die Konfrontation mit dem Westen. Putin präsentiert sich als Oberbefehlshaber, der sein Land vor Feinden schützt. Stolz zeigte er Anfang März neue Atomraketen.

Als Signal hatte er die Wahl auf den Jahrestag der Einverleibung der Krim 2014 legen lassen. Die Annexion der ukrainischen Halbinsel wird von fast keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Ein gutes Ergebnis auf der Krim sei für Putin wie ein zweites Referendum in dieser Frage, sagte Chefredakteur Alexej Wenediktow vom Radiosender Echo Moskwy.

Vielleicht mäßigt sich der schrille Tonfall im internationalen Streit über den Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien. Auf russischer Seite ist die Mobilisierung der Wähler vorbei. Putins Wahlkampfsprecher Andrej Kondraschow bedankte sich ironisch für die Schützenhilfe aus London: "Immer wenn Russland laut und ohne Beweise beschuldigt wird, was macht das russische Volk? Es schließt sich um das Zentrum der Macht zusammen." Die britischen Behörden brauchen Zeit für stichhaltige Nachweise, dass Moskau tatsächlich für den Anschlag verantwortlich ist.

Doch der Streit wegen der russischen Übergriffe auf die Ukraine ist weiter ungelöst. Verhandlungen über eine internationale Friedenstruppe für das Kriegsgebiet im Osten der Ex-Sowjetrepublik kommen nicht voran. Sanktionen belasten Russland wie auch die Wirtschaft in der EU.

Im syrischen Bürgerkrieg kritisiert der Westen die Brutalität des russischen Eingreifens zugunsten von Präsident Baschar al-Assad, kann aber nicht viel dagegen tun. Das Verhältnis Russlands zu den USA ist zerrüttet. Vorhersehbar ist nur eine gewisse außenpolitische Ruhepause, bis Russland die Fußball-WM im Sommer hinter sich gebracht hat.

Im Innern geht Putin in das 19. Jahr seiner Herrschaft als Präsident oder Ministerpräsident. Er hat den letzten Langzeitchef im Machtzentrum Moskaus überrundet - Leonid Breschnew, der von 1964-82 regierte. Der sowjetische Generalsekretär versprach wie Putin Stabilität, die dann aber in einen langen Stillstand überging.

Gesellschaft und Medien sind seit Putins Regierungsbeginn im Jahr 2000 unter enge Kontrolle genommen worden. Polizei und Geheimdienste greifen durch. Der Staat beherrscht die Wirtschaft, in den Rohstoffkonzernen sitzen seine Freunde oder Ex-Geheimdienstler. Die zwölftgrößte Volkswirtschaft wächst, aber zu langsam, um den Abstand zu den führenden Industriestaaten zu verringern.

Offiziell dauert Putins neue Amtszeit bis 2024, er wird dann 71 Jahre alt sein. Laut Verfassung muss er dann ausscheiden. Doch damit stellt sich mit Putins Wiederwahl nun die Frage der Nachfolge. Die Kämpfe in der Elite um Einfluss werden zunehmen. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Wie sein Vorgänger Boris Jelzin könnte Putin vorzeitig abtreten. Oder er könnte noch länger an der Macht festhalten - durch eine Änderung der Verfassung oder auf einem neuen Spitzenposten. Dann wäre der Ex-Geheimagent tatsächlich so etwas wie ein neuer russischer Zar.

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